Lehrreiche Lektionen Teil 1 - Das erste Semester
sie für seinen Geschmack das Studium etwas zu sehr auf die leichte Schulter nahm. Sie war nämlich schon mit einigen Scheinen im Rückstand und wiederholte das Seminar von Professor Schuster bereits zum dritten Mal. Aber da Onkel Albert nicht für Jasmin verantwortlich war, ermahnte er mich nur eindringlich, mich nicht von ihrer Faulheit und Undiszipliniertheit mitreißen zu lassen. „Dies ist kein guter Einfluss für dich!“ redete er mir streng ins Gewissen. „Aber ich werde dir den Umgang mit ihr nicht verbieten. Du bist alt genug, selbst zu entscheiden, mit wem du dich umgibst. Außerdem kann es eine Prüfung sein, ob dein Charakter so weit gefestigt ist, dich nicht von ihr beeinflussen zu lassen.“ sagte er mit ernster Stimme. „Sollte mir aber zu Ohren kommen,“ setzte er fort, „dass du durch Jasmin auf die schiefe Bahn gerätst und der Schlendrian hier Einzug findet, werde ich konsequent eingreifen.“ Unvermittelt sah ich auf die großen, kräftigen Hände von Onkel Albert. Ich wusste, was seine Worte zu bedeuten hatten und nahm mir fest vor, dieses unter allen Umständen zu vermeiden.
„Ich hab noch eine zweite Karte!“ verriet mir Jasmin freudestrahlend. Gerade hatte sie mir erzählt, dass sie eine Freikarte für den neuen Kinofilm gewonnen hatte. Neidisch hatte ich gedacht, dass ich den Film wahnsinnig gerne sehen würde, aber leider schon mein gesamtes Taschengeld für diesen Monat ausgegeben hatte. Außerdem musste ich bis auf Weiteres um 18 Uhr zu Hause sein, da ich mich die letzten Wochen mehrmals nicht an die zeitlichen Absprachen mit Onkel Albert gehalten hatte. Nachdem die scharfen Ermahnungen von Onkel Albert bei mir nicht gefruchtet hatten, war ich das letzte Mal ohne lange Diskussion übers Knie gewandert und habe ordentlich den Hintern versohlt bekommen. Außerdem durfte ich nur noch aus dem Haus, wenn ich zur Uni oder in die Bibliothek musste. Ansonsten hatte ich zu Hause zu bleiben und mich um meine Bildung zu kümmern. „Ich dachte mir,“ fuhr Jasmin fort, „dass ich dich mitnehme!“ Erwartungsvoll sah sie mich an und wunderte sich, dass ich geknickt dasaß. „Danke.“ sagte ich betreten, „Aber ich darf doch abends nicht mehr raus.“ Die Enttäuschung stand mir ins Gesicht geschrieben. „Ach Süße,“ lächelte Jasmin, „das ist doch das Coole: die Vorstellung ist Nachmittags! Wir gucken zusammen den Film und du bist trotzdem rechtzeitig zu Hause! Morgen um 14 Uhr! – Ich lad dich auch auf Popcorn ein.“ fügte sie hinzu, da ich immer noch nicht in Begeisterung ausbrach. Morgen um 14 Uhr war das Seminar bei Professor Schuster. In dem Kurs hatte ich bereits einmal wegen Krankheit gefehlt. Das wusste auch Jasmin. „Du hast doch noch einmal gut beim Schuster.“ sagte sie deshalb. „Also kein Beinbruch, wenn wir da morgen nicht hingehen.“ strahlte sie. Für Jasmin war alles ganz einfach. Aber Onkel Albert war nicht blöd und ließ sich von mir immer die Unterschriftenliste zeigen. Es führte also kein Weg daran vorbei, dass ich morgen im Seminar und Jasmin im Kino sitzen würde. Als ich Jasmin das erklärte, grinste sie verschmitzt. „Was glaubst du,“ flüsterte sie verschwörerisch, „warum ich in diesem Semester zu allen Prüfungen zugelassen werde?“ Ich schaute fragend. Sie kramte in ihrer Tasche, zog ihre Mappe mit den Listen heraus und zeigte sie mir. „Aber am sechsten November hat du doch gefehlt!“ rief ich erstaunt. Ich wusste, dass sie da Geburtstag gehabt und diesen bei ihrem Freund in Hamburg gefeiert hatte. Trotzdem war dort ihre Anwesenheit mit einer Unterschrift bestätigt. „Kinderleicht, diese Unterschrift nachzumachen.“ erklärte sie stolz. Mir war mulmig zumute. „Was, wenn das rauskommt?“ fragte ich ängstlich. „Das kommt nicht raus. Die wissen doch gar nicht, wer wir überhaupt sind. Denen ist das doch egal. Natürlich darfst du nicht übertreiben und in Seminaren mit wenig Teilnehmern ist das zu riskant,“ wiegelte sie ab, „aber beim Schuster zum Bespiel sitzen über dreißig Leute drin und davon fast nur Mädels. Ich wette mit dir, dass er noch nicht einmal deinen Namen kennt.“ strahlte sie. „Und es wäre ja auch nur dieses eine Mal. Ansonsten gehst du doch immer brav.“ versuchte sie mich zu überzeugen. Ich war immer noch nicht sicher, ob ich das Risiko eingehen sollte. „Das ist ein bombensicherer Plan! Was soll schon passieren?“ redete Jasmin auf mich ein. „Ok Cora,“ sagte sie schließlich „dann sag mir
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