Lehtolainen, Leena
das Püree herunterzuschlucken.
Nach dem Essen stand Sauna auf dem Programm, die Männer gingen natürlich zuerst. Ich half der Gastgeberin beim Ab-räumen und Spülen, ich brachte es einfach nicht fertig, zuzuschauen, wenn andere sich abmühten. Außerdem entkam ich so den üblichen Gesprächen über die musikalischen Hobbys der Kinder oder die ärgerlichsten Angewohnheiten der Ehemänner.
«Los, Mädels, die Sauna ist frei!», rief Timo Takala im Flur, als ich gerade die letzten Gabeln abtrocknete. Die Frauen suchten ihre Handtücher, die freisinnigeren holten sich außerdem eine Flasche Bier. Ich ging mit den Männern ins Wohnzimmer, wo die Nachrichten liefen, und hoffte, bald eine Mitfahrgelegenheit nach Hause zu finden.
«Säde, kommst du nicht mit in die Sauna?», erkundigte sich Laila.
«Diesmal nicht.»
«Hast du Angst um deine neue Frisur?» Timo Takala grinste boshaft, und für eine Sekunde glaubte ich, er hätte mich durchschaut. Ich zwang mich, ruhig auf dem Sofa sitzen zu bleiben, obwohl sich mir schon wieder der Magen umdrehte. Zum Glück wollte einer der Bassisten rechtzeitig zur Sportschau zu Hause sein, sodass ich mich auch verabschieden konnte. Daheim stellte ich Kalles Lilie in meine schönste Vase und trug sie ins Schlafzimmer, damit ich sie beim Aufwachen sofort sah.
Ich hatte vielleicht zwei Stunden geschlafen, als das Telefon klingelte.
«Na, alte Jungfer, was treibst du denn gerade? Schläfst natürlich, was Besseres hast du ja nicht zu tun.» Dieselbe boshafte Stimme wie vor ein paar Monaten.
«Deine Mieze hast du ja wohl gefunden, aber freu dich nicht zu früh. Beim nächsten Mal entkommt sie mir nicht. Ich schneide ihr die Ohren und den Schwanz ab, bevor ich sie umbringe.
Und dann bist du dran.»
Ich war plötzlich hellwach, spürte die Kälte des Fußbodens an meinen nackten Füßen, sah den Reif auf den Autos im Hof. Eisiges Grauen packte mich, als die Stimme meine Adresse nannte und das Haus beschrieb, in dem ich wohnte.
«So ein Reihenhaus aus hellroten Ziegeln und weißen Bret-tern. Du wohnst an der Giebelseite im ersten Stock. An deiner Tür ist ein Fenster, das sich leicht einschlagen lässt. Dann brauch ich bloß noch die Hand reinzustrecken und die Tür zu öffnen. Und dann …»
Ein Teil von mir wollte den Hörer auflegen und den Stöpsel aus der Wand ziehen. Dieser Teil war jedoch vor Furcht wie ge-lähmt und lauschte nur auf Schritte im Treppenhaus.
Ich wollte diesen Teil nicht die Oberhand behalten lassen, darum legte ich leise den Hörer auf den Nachttisch, streifte Socken über und zog den Bademantel an. Dann ging ich ins Wohnzimmer und schaltete das Handy an. Die Liste der Chormitglieder lag in der Notenmappe. Ich tippte Timo Takalas Nummer ein: besetzt, um halb drei Uhr morgens.
Als Nächstes rief ich die Polizei an.
«Ich möchte einen Störer melden. Er hat mich an meinem normalen Telefon angerufen und spricht immer noch, ich habe die Verbindung nicht unterbrochen.»
Ich gab mir Mühe, ruhig und überzeugend zu wirken. Der Beamte gähnte und entschuldigte sich gleich darauf.
«Welche Art von Störung?»
«Nächtliche Anrufe, er droht, mich und meine Katze umzubringen.»
Der Beamte notierte meine Angaben und versprach, eine Fangschaltung zu veranlassen. Ich müsse während der regulä-
ren Dienstzeit vorbeikommen und eine schriftliche Meldung abgeben. Nachdem ich das Handy ausgeschaltet hatte, bückte ich mich, um Sulo zu kraulen, der sich über die nächtlichen Ak-tivitäten wunderte und offenbar hoffte, ich hätte eine zusätzliche Essenszeit eingeführt. Ich nahm die Katze auf den Arm, ihr Schnurren und ihr weiches Fell brachten auch den letzten Eis-klumpen in meinem Magen zum Schmelzen. Leise schlich ich zurück ins Schlafzimmer und hob den Hörer auf.
«Hör zu, Störenfried, ich hab dich bei der Polizei gemeldet.
Sie werden deine Nummer ausfindig machen. Außerdem weiß ich, wer du bist. Deine Stimme ist einen Tick zu hoch, unverkennbar. Wir sehen uns vor Gericht!»
Ich zog den Stöpsel heraus und musste beinahe lachen. Für Timo Takala war der Unabhängigkeitstag unabhängig vom Wetter ein grauer Tag: Neben einem ausgewachsenen Kater würde ihn die Angst vor der Polizei plagen. Auf Hausfriedensbruch stand bis zu drei Monaten Gefängnis. Ich kannte Artikel vier-undzwanzig Paragraph drei des Strafgesetzbuchs genau, denn ich hatte meine Klientinnen oft genug aufgefordert, sich auf ihn zu berufen, wenn sie von ihren Expartnern per Telefon
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