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Lehtolainen, Leena

Titel: Lehtolainen, Leena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Weiss wie die Unschuld
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einfach keine passenden Worte. Morgen bei der Gedenkfeier soll ich eine Rede halten, und alles, was mir einfällt, sind abgedroschene Phrasen.« Er seufzte, dann gab er sich einen Ruck und legte endlich den Hörer auf. »Du warst doch am Freitag auch zur Anhörung. Wie ist es bei dir gelaufen?« Wir verglichen unsere Eindrücke und stellten Vermutungen über den Ausgang des Verfahrens an. Wir tippten beide darauf, dass man Koskivuori zum Sündenbock machen würde.
    »Das kann schwierig werden«, meinte Taskinen, als ich ihn bat, eine Wache für Aira zu organisieren, er versprach jedoch, es zu versuchen. »Ach ja, Pihko sagt, du wüsstest jemanden, der für Palos Stelle infrage kommt. Sie wird Anfang März neu besetzt.«
    Ich berichtete ihm von meinem alten Kollegen Pekka Koivu, dessen Lehrgang in Otaniemi bald abgeschlossen war und der nicht nach Joensuu mit seinen Rassenkrawallen zurückkehren wollte.

    Gerade als ich mich entschlossen hatte, Taskinen schonend beizubringen, dass auch ich demnächst für rund ein Jahr eine Vertretung brauchte, ging die Tür auf und eine ausgesprochen hübsche junge Frau guckte herein. Eigentlich war Silja Taskinen noch ein Teenager, sie war erst siebzehn, doch als Eiskunstläu-ferin hielt sie sich gerade und wirkte weiblicher als die meisten ihrer Altersgenossinnen. Kurz vor Weihnachten hatte ich sie als Dornröschen in einer Eisshow gesehen. Sie galt als eine der großen Hoffnungen des finnischen Eiskunstlaufs. Taskinen sparte eisern, um seine Tochter von seinem mageren Polizisten-gehalt zweimal jährlich ins Trainingslager nach Kanada schicken zu können.
    Silja holte ihren Vater ab, um mit ihm neue Schlittschuhe zu kaufen, also verabschiedete ich mich. Eigentlich war ich ganz froh, dass sie unser Gespräch unterbrochen hatte, denn wenn ich es mir recht überlegte, wollte ich Taskinen lieber doch noch nichts von meiner Schwangerschaft sagen. Zum Abschluss des Tages ging ich ins Labor, um mir die Kleidung noch einmal anzusehen, in der Elina gefunden worden war. Der Satinfetzen, den ich an dem Pfad in Nuuksio gefunden hatte, stammte vom Saum des Morgenmantels, Elina war also offensichtlich auf diesem Weg an den Fundort gelangt. Ob sie gegangen oder hingeschleift worden war, ließ sich jedoch nicht mit letzter Sicherheit feststellen, denn nach dem ständigen Wechsel von Schneefall und Regen war der Pfad hart gefroren. Der Stoff konnte im einen wie im anderen Fall an dem Zweig hängen geblieben sein. Ich streifte Einmalhandschuhe über und nahm die Kleidungsstücke aus dem Asservatenbeutel. Stieg von ihnen ein zarter Rosenduft auf? Nein, das bildete ich mir wohl nur ein, weil ich in Elinas Badezimmer Rosenpuder gesehen hatte.
    Sowohl der Morgenmantel als auch das Nachthemd wiesen hinten Risse auf, an denselben Stellen, an denen sich die Kratzer an Elinas Leiche befanden. Die Risse konnten entstanden sein, weil Elina rücklings durch den Wald geschleift wurde, doch war andererseits die Möglichkeit nicht auszuschließen, dass sie zum Beispiel an einem Hang gestürzt und auf dem Rücken durch den Schnee gerutscht war.
    Bei zehn Grad minus waren Nachthemd und Morgenmantel ein erbärmlicher Schutz. Da sie aus synthetischen Fasern bestanden, hatten sie die Auskühlung sogar noch beschleunigt.
    Wie konnte jemand so dünn bekleidet, noch dazu barfuß, in eine eiskalte Winternacht hinauslaufen?
    Und was hatte die Person, die Elina unter die Fichte auf dem Hügel bettete, bezweckt? Hatte sie geglaubt, es würde weiter schneien, der Schnee würde Elina unter sich begraben und unsichtbar machen? Oder hatte Elina selbst beschlossen, sich in eine Schneefrau zu verwandeln?

    Siebzehn
    Ich ließ die Jalousie in meinem Dienstzimmer herunter und zwängte mich in das enge schwarze Kleid. In einer halben Stunde sollte Palos Beerdigungsfeier beginnen. Pertsa und Pihko warteten auf dem Gang, beide sahen fremd aus im dunklen Anzug und mit dunkler Krawatte. Gerade als ich Jeans und Pullover im Schrank verstaut hatte, klingelte das Telefon. Ich überlegte, ob ich einfach gehen sollte, konnte es dann aber doch nicht lassen, den Hörer abzunehmen.
    Aira Rosbergs Stimme war immer noch greisenhaft und brü-
    chig, doch offenbar hatte sie sich recht gut erholt, sonst hätte man ihr sicher nicht erlaubt zu telefonieren.
    »Du hast mir nicht erzählt, dass Elina tot ist«, sagte sie vor-wurfsvoll.
    »Ich wollte dich nicht unnötig belasten. Erinnerst du dich jetzt?«
    »Ich erinnere mich, dass Elina tot ist. Aber

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