Lehtolainen, Leena
des Gutshauses, wird seit einigen Tagen vermisst.« Noch ließ Taskinen sich seine Verärgerung nicht anmerken. Er griff sich das Telefon und gab den Technikern Fahranweisungen.
»Wir hätten Skier mitnehmen sollen«, fluchte Pertsa vor sich hin. »Durch den verdammten Schnee stapfen, so eine Scheiße!«
Der Skiläufer, der die Leiche gefunden hatte, stand wartend am Weg nach Rosberga. In seinem leuchtend blauen Dress und mit den supermodernen Skiern sah er aus, als wäre er geradewegs vom Merkur auf die Erde gefallen. Er tat mir Leid, offenbar war er eine schnelle, schweißtreibende Runde gelaufen und fror jetzt fürchterlich. Zudem sprang Pertsa, der seine Personalien aufnahm, alles andere als freundlich mit ihm um.
Auch ich war nicht gerade erfreut, als ich die hohen Schneewehen sah, durch die die Skispur des Mannes führte. Da mussten wir durch, es half alles nichts.
»Weiter drinnen im Wald kommt man leichter vorwärts, der Regen heute Nacht hat den Schnee größtenteils weggeschmol-zen«, sagte der Skiläufer wie zum Trost. Ich zog die Stiefel an und war froh, dass ich meinen langen Wintermantel heute zu Hause gelassen und stattdessen die hüftlange Steppjacke angezogen hatte. Ich gab mir Mühe, mit dem Skiläufer, Pertsa und Taskinen Schritt zu halten, obwohl sie allesamt im Vorteil waren: Pertsa war fast zwei Meter groß, Taskinen trainierte Marathonlauf und der fremde Mann hatte seine Skier. Ich war zwar auch sportlich, aber meine Beine fühlten sich schon wieder kraftlos an.
Auf den Lichtungen hatten sich weiche Schneewehen gebildet, so hoch, dass der Schnee in die Stiefel drang. Im dichten Wald lag der Schnee nur ein oder zwei Zentimeter hoch, war aber steinhart gefroren und glatt, die Fichtenzweige rissen mir die Wangen auf. Im offenen Gelände fuhr mir der Wind beißend ins Gesicht.
Die Skispur war eine gute Orientierungshilfe. Man hatte eine etwa zwei Meter breite Schneise in den Wald geschlagen, die im Sommer als Wanderweg, im Winter als Loipe genutzt wurde.
Die Leiche lag auf einem kleinen Hügel unter einer Fichte.
Genau genommen ragten nur ihre zierlichen nackten Füße hervor, die gestern noch vom Schnee bedeckt gewesen sein mussten. Der Regen, der den Schnee von den Fichtenzweigen gespült hatte, hatte auch die Leiche durchnässt. Pertsa schob als Erster vorsichtig die Zweige zur Seite, ich hörte ihn scharf einatmen, dann starrte er reglos auf die Gestalt, die unter den Zweigen lag. Ohne zu wissen, was mich erwartete, trat ich meinerseits näher und sah hin.
Die Leiche unter der Fichte war zweifellos Elina Rosberg. Der Morgenmantel aus zartrosa Satin war am Körper festgefroren, der Saum des Nachthemds in der gleichen Farbe war aufgetaut, er flatterte, als ich erschrocken zurückzuckte. Die nackten Beine waren von Erfrierungen übersät, doch auf dem Gesicht lag ein friedlicher Ausdruck, fast ein Lächeln. Und dennoch war es ein totes Gesicht.
Elinas Wangenknochen waren so hoch wie immer, die Augen geschlossen, die Lider bläulich. Es waren keinerlei äußerlichen Gewaltmerkmale zu erkennen. Als hätte sie sich unter dem Baum zur Ruhe gelegt und wäre in Schlaf gesunken wie Dornröschen. Aber einen Prinzen, der sie wachküssen konnte, gab es nur im Märchen.
»Ja, es ist Elina Rosberg«, sagte ich zu Taskinen, der hinter mir stand. Meine nassen Füße froren in den Stiefeln, ein schneidender Schmerz fuhr mir durch die Kehle. Pertsa sprach leise mit dem Skiläufer, als hätte der Anblick von Elinas Leiche seiner großkotzigen Grobheit einen Dämpfer versetzt. Im Wald war es vollkommen still, nur Taskinens Handy piepte und aus der Richtung, aus der wir gekommen waren, ertönten Schritte: Die Technik war im Anmarsch.
Die vertraute Routine wirkte fast tröstlich. Fotos, Messungen, die scheinbar aussichtslose Suche nach Spuren, die Elina auf ihrem Weg durch den Wald vielleicht hinterlassen hatte. Dem ersten Anschein nach war sie erfroren, doch Genaueres über die Todesursache würde erst die Obduktion ergeben.
»Das war’s dann wohl«, seufzte Taskinen schließlich, da die Techniker vorläufig nichts gefunden hatten, was die Beteiligung einer zweiten Person bewies oder ausschloss. »Wie war das noch, Maria, du weißt, wer Rosbergs nächste Angehörige sind?«
»Ich kenne nur die Tante, die in Rosberga wohnt. Elina Rosberg war meines Wissens ledig und kinderlos, und ich glaube, ihre Eltern sind tot.«
»Also auf nach Rosberga.« Taskinen machte sich auf den Rückweg zum Wagen. Die
Weitere Kostenlose Bücher