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Lehtolainen, Leena

Titel: Lehtolainen, Leena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Weiss wie die Unschuld
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dachte, das hätte Ihnen Aira Rosberg schon mitgeteilt.«
    »Aira hat gestern angerufen, aber … Was heißt hier vermisst?
    Was hat das alles zu bedeuten?«
    »Dürfte ich hereinkommen? Wir können uns auch in der Nähe in eine Kneipe setzen, wenn Sie sich lieber woanders unterhalten möchten.«
    Joona Kirstilä zögerte, dann schob er die Sicherheitskette zurück.
    »Bei mir ist es allerdings furchtbar unordentlich. Ich hatte in den letzten Tagen keine Zeit zum Aufräumen.«
    Kirstilä wohnte in einem recht engen Zweizimmerapartment.
    Rechts sah man durch die offene Tür in ein chaotisches Schlafzimmer. Daneben befand sich eine Kochnische, in der nur eine Kochplatte, ein Mikrowellenherd und ein alter, brummender Kühlschrank Platz fanden. Die hohen Decken des alten Hauses verliehen dem kombinierten Wohn- und Arbeitszimmer einen gewissen Charme. Es war mit Büchern und Papieren voll gestopft und erinnerte entfernt an Anttis Bude in der Iso Roobertinkatu vor meinem Einzug. Nur das Klavier fehlte. Auf dem Schreibtisch standen Seite an Seite eine schwarze Schreib-maschine, die mindestens so alt war wie der Dichter, und ein Laptop.
    Kirstilä schob einen Stapel Papier vom Sofa und bedeutete mir, Platz zu nehmen. Er selbst setzte sich auf den Fußboden und steckte sich eine Zigarette an. Ich hatte es immer als komisch empfunden, dass Joona Kirstilä tatsächlich wie das Inbild eines Dichters aussah. Die dunklen, gewellten Haare reichten ihm bis über die Ohren, er schob sie wie zwanghaft immer wieder aus dem Gesicht. Seine Haut war blass, die großen, dicht bewimperten Augen glühten dunkelbraun. Die sensiblen Lippen unter der schmalen geraden Nase waren an einem Mundwinkel nach unten gezogen. Es war genau das Gesicht, das man bei einem Dichterjüngling erwartete, und jungenhaft wirkte Joona Kirstilä auch mit über dreißig noch. Er war klein, kaum eins siebzig, und auffallend mager. Sein zierlicher Körperbau wurde durch seine Standardkleidung betont, einen schwarzen Pullover, aus dessen Ärmeln die kleinen Hände mit den vorstehenden Gelenkknochen heraus-schauten. Seine Finger waren lang und schmal, wie geschaffen, eine Schreibfeder zu halten. Ich hatte einige seiner Lyriksamm-lungen gelesen und ihre eigenwillige Sprache bewundert, während die übertriebene Männerromantik der Gedichte nicht nach meinem Geschmack war.
    »Was soll das heißen, Elina wird vermisst?«, fragte er erneut und hüllte sich in Rauch. Ich kam nicht dazu, ihm zu antworten, denn die Bücher auf dem Regal neben mir begannen merkwürdig zu schwanken. Ich konnte gerade noch ausweichen, als sie herunterfielen.
    »Pentti, lass das!«, rief Kirstilä der graubraun gestreiften, mageren Katze mit dem weißen Brustfleck zu, die geschmeidig von einem Regal zum anderen sprang, herunterhüpfte und an meinen Beinen schnupperte, die bestimmt nach Einstein rochen.
    »Das ist also Pentti.«
    »Ja, nach meinem Kollegen Saarikoski. Entschuldigung, er ist ziemlich neugierig. Aber Elina …«
    Seine Besorgnis wirkte echt. Sie nahm zu, als er erfuhr, dass Elina seit dem vorgestrigen Abend nicht mehr gesehen worden war. Er zündete sich an der ausgerauchten Zigarette gleich die nächste an, und Pentti, der eine Rauchwolke ins Gesicht bekommen hatte, verzog sich schmollend in die Küche.
    »Ich habe keine Ahnung, wo sie steckt.« Kirstilä stand auf und trat ans Fenster. Er drückte die Zigarette auf der breiten Fensterbank aus, legte die Stirn kurz an die Scheibe, die seine dunkel leuchtenden Augen zurückwarf wie ein Spiegel.
    »Sie sind nicht täglich in Verbindung?«
    »Im Allgemeinen nicht.« Kirstilä sprach zum Fenster hin.
    »Wenn ich schreibe, will ich von der Welt da draußen nichts wissen. Und Elina hat ihre Kurse. Wir hatten nur ausgemacht, vor Silvester zu telefonieren, Elina will an dem Abend herkom-men …« Seine Stimme erstarb wieder, er hatte offensichtlich die Gewohnheit, seine Sätze unvollendet zu lassen.
    »Wann haben Sie Elina Rosberg zuletzt gesehen?«
    Seine Gegenfrage überraschte mich:
    »Wann ist Elina verschwunden?«
    »Am Abend des zweiten Weihnachtstages, also vorgestern.«
    »Ich habe sie am Tag vor Heiligabend zuletzt gesehen, nachmittags, kurz bevor ich zum Bahnhof gegangen bin. Ich war über Weihnachten bei meinen Eltern in Hämeenlinna.«
    Ich fragte mich, warum er log. Aira war nahezu sicher gewesen, dass Elina mit Joona Kirstilä spazieren gegangen war, und Milla hatte sogar behauptet, die beiden gesehen zu haben. Da ich jedoch

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