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Lehtolainen, Leena

Titel: Lehtolainen, Leena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Weiss wie die Unschuld
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Frühstücksflocken hin. Ich schüttelte den Kopf, obwohl die superknusprigen Schokoflo-cken, die der Werbung zufolge Tigerkräfte verliehen, wirklich verlockend aussahen. Milla aß ihre Schüssel leer bis auf den letzten Rest Milch, den die Flocken kakaobraun gefärbt hatten.
    Die Geste, mit der sie sich den Milchbart von der Oberlippe wischte, war eindeutig für Haikala bestimmt. Bevor sie antwortete, zündete sie sich eine Zigarette an. Nun sah sie keinen von uns beiden mehr an, sondern starrte unverwandt auf den Stahlkopf des Mikrophons.
    »Zu dem Kurs bin ich zwei Tage nachdem der Nachbar mich vergewaltigt hatte. Ich hab bei so ’nem Krisenzentrum angerufen, und die haben gesagt, bei dem Kurs wär noch Platz und der könnte mir helfen. Natürlich hatte ich vorher schon von Elina gehört, ich hab in irgendwelchen Illustrierten was über sie gelesen und ihre Psychologenseite in ›Suosikki‹, als ich noch ganz jung war …« Milla zog die Beine unter sich, igelte sich ein, als wollte sie sich schützen. »Zur Arbeit konnte ich ja nicht gehen, ich hatte überall blaue Flecken und Kratzer. Ich hab versucht, das zu überschminken, aber Rami, dem gehört das
    ›Fanny Hill‹, hat gesagt, so kann ich nicht auftreten. Ich soll nach Weihnachten wiederkommen, hat er gesagt, wenn die Wunden verheilt sind. Das hat mir natürlich gestunken, noch zwei Wochen Adventszeit, die beste Saison, eine Wahnsinns-nachfrage nach Privatshows, aber ich konnte nix machen.«
    »Du warst also krankgeschrieben?«
    Milla schnitt dem Mikrophon eine Grimasse.
    »So kann man’s nun auch nicht nennen. Ich hab ’nen befriste-ten Vertrag, da gibt’s keinen Krankenurlaub. Wenigstens hat er versprochen, mich wieder zu nehmen. Du brauchst mir gar nicht zu sagen, dass er ein Scheißkerl ist, das weiß ich auch so. Aber jedenfalls bin ich in Rosberga geblieben, weil … weil … weil ich Angst vor dem Nachbarn hatte, verdammt! Mir war zum Kotzen, wenn ich mir bloß vorstellte, er würde mir über den Weg laufen. Elina hat das, glaub ich, kapiert, obwohl sie mir dauernd vorlaberte, ich müsste zur Polizei gehen. Vor Weihnachten waren wir dann hier und haben die Sicherheitskette angeschraubt.«

    »Was hat dich denn veranlasst, doch wieder nach Hause zu ziehen?«
    »In Rosberga war’s einfach nicht mehr zum Aushalten! Diese Kivimäki, die blöde Kuh, hat mich angeglotzt, als wär ich der letzte Dreck, Johanna flennt die ganze Zeit wegen ihren Gören, und die eine, diese Niina, hat abwechselnd klassischen Scheiß geklimpert oder über Horoskope geschwafelt. Ich wär ein dreifacher Skorpion, hat sie gesagt, deswegen wär ich so verkorkst. Die hat’s bestimmt leicht, weil sie alles mit irgendwelchen Sternbildern erklären kann. Nachdem Elina sich abgesetzt hatte, hab ich beschlossen zu gehen, und die anderen haben mich nicht zurückgehalten.«
    »Du hast Elina also am zweiten Weihnachtstag zum letzten Mal gesehen?«
    »Das hab ich dir doch schon gesagt, müssen wir das jetzt alles nochmal durchkauen?« Milla blickte auf, und ich sah, wie schwer es ihr gefallen war, über die Vergewaltigung zu reden.
    Wie war das mit diesen Inzestgeschichten, was für ein Leben hatte das Mädchen hinter sich? Trotz ihrer wüsten Erfahrungen war sie für mich ein Mädchen. Wer weiß warum, vielleicht wegen ihrem pubertären Gehabe.
    »Uns liegen widersprüchliche Angaben über die Person vor, mit der Elina ihren Spaziergang gemacht hat. Du hast erzählt, du hättest sie mit Joona Kirstilä gesehen.«
    »Gesehen und gehört. Ich hab gemerkt, dass sie mir entgegen-kamen, und wollte nicht, dass Elina mir Löcher in den Bauch fragt. Ich hab mich hinter den Bäumen am Wegrand versteckt.
    Die haben mich nicht bemerkt, die waren total in ihr Gespräch vertieft.«
    »Und du bist ganz sicher, dass der Mann in Elinas Begleitung Kirstilä war?«
    »Zum Teufel nochmal, ich hab ihn doch mit eigenen Augen gesehen! Ein kleiner Mann mit dunklen Locken, schwarzen Klamotten und rotem Schal. Den erkenn ich überall wieder, sein Bild ist ja oft genug in der Zeitung.«
    »Worüber haben die beiden sich unterhalten?«
    »Von wegen unterhalten, gestritten haben die sich! Ums Zusammenleben oder so. Elina hat was in der Art gesagt, in ihrer Situation könnte sie sich nicht vorstellen, mit Joona zusammenzuziehen. Joona hat gefragt, was für eine Situation das wäre, aber die Antwort hab ich nicht mehr gehört.«
    Ich fand es interessant, dass Milla diesen Kirstilä beim Vor-namen nannte. Wie gut

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