Lehtolainen, Leena
meine Nervosität an. Als die Frauenärztin mir dann die Schwangerschaft bestätigte und sagte, sie wolle die Spirale gleich jetzt entfernen, damit sie weder mich noch das Kind gefährdete, war ich vor allem erleichtert. Nun übernahm jemand anders die Verantwortung für meinen Körper und für die Frucht, die in ihm wuchs. Die Ärztin schien das Bedürfnis zu haben, sich im Namen des ganzen medizinischen Standes für das Versagen der Spirale zu entschuldigen. Dann fragte sie, ob ich die Schwangerschaft abbrechen wolle.
Das war sie, die letzte Chance. Es wäre so leicht gewesen, eine kleine Pause und ich hätte weiterleben können wie bisher.
Dennoch sagte ich Nein.
Es tat weh, als das überflüssig gewordene Ding herausgezogen wurde, doch ich ertrug den Schmerz in dem Gedanken, dass es in acht Monaten noch viel schlimmer kommen würde. Als voraussichtlichen Geburtstermin hatte die Ärztin den fünfundzwanzigsten August berechnet. So viel zu unserem Wanderurlaub auf Korsika. Die Teilnahme am Helsinki City Marathon konnte ich auch vergessen … Als ich blutend und mit schwindligem Kopf aufstand und mich hinter dem Wandschirm anzog, rief die Ärztin:
»Dein Beruf ist doch zeitweise nicht ganz ungefährlich. Sieh zu, dass du dich rechtzeitig auf einen ruhigeren Posten versetzen lässt.«
»Meistens sitze ich am Schreibtisch und rede oder schreibe.
Gibt es denn irgendwas, was ich jetzt nicht mehr tun darf?«
»Du kannst alles tun, solange du dich wohl fühlst, dein Körper meldet sich schon, wenn es ihm zu viel wird. Ich kenn mich mit der Polizeiarbeit nicht so gut aus … ich meine nur, ich habe noch keine Frau im sechsten Monat in Polizeiuniform gesehen.«
»Ich arbeite in Zivil und hauptsächlich mit dem Kopf. Aufs Gehirn hat die Schwangerschaft doch keinen Einfluss?«
Während ich durch den Schneematsch auf der Autobahn nach Espoo fuhr, nahm ich mir vor, meine Schwangerschaft so lange wie möglich vor den Kollegen zu verbergen. Die ganze Sache ging sie nichts an. Ich konnte mir nur zu gut vorstellen, wie Palo besorgt um mich herumflattern und Ström jeden kleinsten Fehler bekritteln würde. Außerdem beschloss ich, nach der Arbeit zum Schießtraining zu gehen. Ich wollte etwas tun, was von dem flauschigen Bild, das ich vom Leben einer Schwangeren im Kopf hatte, möglichst weit entfernt war. Auf das Bier nach dem Training würde ich allerdings verzichten, so weit ging meine Aufsässigkeit denn doch nicht.
Sieben
Niina Kuusinen hatte während meiner Abwesenheit zurückgeru-fen und sowohl ihre private Telefonnummer als auch die der Musikschule hinterlassen, an der sie offenbar arbeitete. Ich wählte beide Nummern, aber ohne Erfolg; am Anschluss der Musikschule lief ein Band, auf dem es hieß, der Unterricht beginne nach dem Dreikönigstag.
Nachdem ich mit Elinas Anwalt telefoniert hatte, beschloss ich, noch einmal nach Nuuksio zu fahren. Ich wollte mich umsehen, auf Elinas Spuren durch den Wald gehen und herausfinden, wie und warum sie dorthin geraten war. Der Anwalt hatte versprochen, mir bis zum nächsten Morgen eine Zusam-menfassung von Elinas Testament zu liefern. Die Ärztin hatte mir natürlich für den Rest des Tages Ruhe verordnet, aber trotz Blutung und Schwindelgefühl wollte ich nicht nach Hause gehen. Dort würden meine Gedanken doch nur um den Keim in meinem Bauch kreisen, das hielt ich nicht aus. Mit meinem Privatleben konnte ich einfach nicht so rational umgehen wie mit beruflichen Dingen. Ich vergewisserte mich, dass Aira in Rosberga war, und bat Palo, den ich zufällig auf dem Flur traf, mich zu begleiten. Ström war zum Glück nicht da, sonst hätte er sich mir aus reiner Bosheit angeschlossen. Palo hatte den Vormittag mit Taskinen in Mankkaa verbracht, ohne Hinweise auf Halttunens Verbleib zu finden. Er berichtete mir, dass Ström in sämtlichen Ausnüchterungszellen der Hauptstadtregion die Runde machte, um etwas über die letzten Tage von Halttunens Vater in Erfahrung zu bringen. Obwohl ich wusste, dass Palo Halttunens Drohung ernster nahm als ich, wunderte ich mich doch, als ich sah, dass er die Waffe an der Hüfte und nicht im Schulterholster trug. Bei genauerem Hinschauen bemerkte ich eine kugelsichere Weste unter seinem Pullover.
»Ach, nach Nuuksio …« Palo zögerte. »Sicher eine gute Idee, an Ort und Stelle lässt sich am besten herausfinden, wie die Rosberg in den Wald geraten ist. Aber ob es klug ist, wenn wir beide gemeinsam durch die Gegend fahren? Ich meine …«
»Du
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