Lehtolainen, Leena
glauben, solange er nicht versuchte, andere zu manipulieren und zu betrügen. Vor zehn Jahren hatte ich mich selbst einmal überreden lassen, an einem Persönlich-keitstest der Scientologen, nein, damals nannten sie sich noch Dianetiker, teilzunehmen. Dem Test zufolge benötigte ich dringend eine Audition, doch die hatte ich dankend abgelehnt.
»Auf der Messe für Geist und Wissen habe ich dann Astrologen kennen gelernt«, fuhr Niina fort. »Horoskope hatten mich immer schon interessiert, ich finde, in ihnen steckt viel Wahres.
Sie sind kein Humbug, sondern ein Mittel, das eigene Leben in den Griff zu kriegen und anderen zu helfen. Ich habe selbst einen telefonischen Beratungsdienst, ich erstelle Karten und gebe den Menschen Rat. Das ist auch eine Art Therapie. Aber ich bin längst nicht so gut wie Kari. Er ist ja auch als Psychologe ausgebildet.«
»Wer ist dieser Kari?«
»Der Astrotherapeut Kari Hanninen. Er verbindet Astrologie und Kurztherapie.«
Das hörte sich verdächtig nach Halttunens Therapeut an. Ich hatte ihn beim Prozess erlebt und den Eindruck gewonnen, dass er ein Manipulator von der schlimmsten Sorte war. Die Charakteranalyse, die er von Halttunen erstellt hatte, stimmte allerdings ziemlich genau mit den offiziellen psychiatrischen Gutachten überein, nur hatte Hanninen seine Diagnose mit allerlei astrolo-gischem Brimborium ausgeschmückt. Halttunen sei unter dem Solarzeichen Skorpion geboren und deshalb von Geburt an mit zerstörerischer Energie ausgestattet; da er zudem eine schwierige Kindheit hatte, sei er zwangsläufig zum Psychopathen geworden. Warum die Verteidigung Hanninen als Zeugen benannt hatte, war mir nicht ganz einsichtig geworden.
»Warum hast du denn von diesem Hanninen zu Elina gewechselt?«
»Na, weil Kari nur Kurztherapien macht und unsere zehn Sitzungen vorbei waren. Er hat aber versprochen, meine Karten mit mir zu analysieren, wenn ich allein nicht zurechtkomme.«
Ich überlegte, ob ein Mann, der eine derart eigenwillige The-rapieform anbot, im Verzeichnis des Therapeutenverbandes geführt wurde. Es mochte sich lohnen, ihn anzurufen, am besten gleich nach meiner Rückkehr aus Karhumaa.
»Jetzt muss ich mir wohl einen neuen Therapeuten suchen«, sagte Niina leise, und die Trauer in ihren Augen war nicht gespielt. »Elinas Tod, das war für mich beinahe so, als hätte ich meine Mutter noch einmal verloren. Das war es wohl auch, was ich bei ihr gesucht habe: eine Ersatzmutter.«
Meiner Kalkulation nach musste Niina schon über zwanzig gewesen sein, als sie ihre Mutter verlor. Doch vermutlich ist der Tod eines Elternteils immer ein traumatisches Erlebnis, unab-hängig vom Alter.
»Ist dir in den letzten Tagen noch etwas eingefallen, was uns helfen könnte, Elinas Tod aufzuklären?«
Niina schüttelte den Kopf und wiederholte ihren Bericht über die Ereignisse des zweiten Weihnachtstages. Das alles hatte ich bereits gehört, neu war nur ihre Aussage, sie habe abends im Bett über Kopfhörer das Weihnachtsoratorium von Bach gehört.
Sie war recht gesprächig, doch schien es ihr weniger darum zu gehen, zur Aufklärung des Falles beizutragen, eher hatte ich den Eindruck, sie wollte herausfinden, was die Polizei wusste.
Anschließend ging ich ins Reisebüro am Heikintori und reservierte einen Platz im Schlafwagen nach Oulu. Ich hoffte, die dortigen Kollegen würden mich nach Karhumaa bringen. Der Gedanke, dass Milla und Aira sich irrten und Elina doch mit Leevi Säntti zusammengetroffen war, schien mir immer attraktiver. In meiner Voreingenommenheit war Säntti ein glattzüngiger Wanderprediger im Glitzeranzug, der alten Mütterchen mit Höllenqualen drohte, wenn sie auch nur ein einziges Mal
»Schön und reich« im Fernsehen guckten. Über Niina Kuusinen Klarheit zu gewinnen war schon schwieriger. Während Tarja Kivimäki Niinas Probleme als reines Theater abgetan hatte, schien sie mir tatsächlich in seelischer Not zu sein. Hoffentlich prophezeiten ihr die Sterne bessere Zeiten.
Ich war gerade auf die Vanha Mankkaantie abgebogen, als mein Handy klingelte. An sich sprach ich nicht gern beim Fahren, aber diesmal nahm ich das kleine Ding doch zur Hand.
Vielleicht war Halttunen endlich erwischt worden.
»Pertsa hier, hallo. Folgendes, wegen Halttunen brauchst du dir keine Gedanken mehr zu machen, wir wissen jetzt, wo er steckt. Er hat sich in einer unbewohnten Hütte in Nuuksio verschanzt, mit einer Geisel. Er hat sich Palo geschnappt, als der mit einem Beruhigungsmittel
Weitere Kostenlose Bücher