Lehtolainen, Leena
wann Pertsa die Kinder zurückbringen sollte.
»Spätestens um acht, sie haben morgen Schule!«
»Verdammt nochmal, wenn wir zu dem Spiel gehen, wird’s eben neun! So klein sind sie nicht mehr, die können auch mal bis Mitternacht aufbleiben! Kommt das Mädchen jetzt endlich!«
»Du brauchst sie ja morgen früh nicht zu wecken! Wenn wir den Badeanzug nicht finden, kann Jenna eben nicht mit zum Schwimmen!«
Schließlich kam Jenna aus dem Haus und schwenkte triumphierend einen rosa Badeanzug. Es war ein seltsames Gefühl, im Gesicht des zehnjährigen Mädchens Pertsa Ströms Züge zu erkennen. Ich verdrückte mich hinter der nächsten Hausecke, es wäre mir peinlich gewesen, wenn Pertsa gemerkt hätte, dass ich sein Privatleben ausspionierte.
Am Montagmorgen war alles fast so wie früher. Nur das aus der Zeitung ausgeschnittene, schwarz umrandete Foto von Palo, das an der Tür zu Palos und Pihkos gemeinsamem Büro klebte, erinnerte daran, dass doch nicht mehr alles so war wie Anfang der letzten Woche. Pihko war bereits unterwegs, Pertsa ebenfalls, nur Taskinen saß an seinem Schreibtisch, grau und verkniffen. Das Lächeln, das er bei meinem Anblick aufsetzte, war sicher das erste an diesem Tag.
»Schon wieder einsatzbereit?«
»Ich denke schon. Was gibt’s Neues?«
»Nichts Besonderes. Wir müssen Palos Fälle unter uns auftei-len, eine Vertretung bekommen wir sicher nicht. Stell dich schon mal darauf ein, dass du Ende der Woche zu der Geiselnahme in Nuuksio vernommen wirst. Da kommt noch einiges nach.«
»Kann ich mir denken. Ich mach jetzt mit dem anderen Nuuksio-Fall weiter. Morgen Abend könnte ich vielleicht nach Oulu fahren.«
»Kari Hanninen, der Psychologe, lässt dir Grüße bestellen und ausrichten, einer so entzückenden Frau stünde er jederzeit zur Verfügung.« Taskinen brachte es nicht fertig, mir diese Nachricht in normalem Ton zu übermitteln, gegen seinen Willen musste er lachen. Sosehr ich mich über Hanninens Bemerkung auch ärgerte, ich verzieh ihm, weil er Taskinen zum Lachen gebracht hatte.
Ich wollte gerade den Hörer abnehmen und mich nach der Nummer von Leevi Säntti erkundigen, als das Telefon klingelte.
»Tarja Kivimäki vom Sender Yle, guten Tag. Sie sind also nach dem zweiten erschütternden Fall in Nuuksio wieder an den Arbeitsplatz zurückgekehrt.«
»Ja. Haben Sie mir etwas Neues zum Fall Rosberg zu sagen?«
»Leider nein. Sie hatten in letzter Zeit sicher auch andere Dinge im Kopf, und gerade darüber würde ich gern mit Ihnen sprechen. Wollen wir uns übrigens duzen? Hör zu, Maria, das A-Studio bereitet einen Hintergrundbericht über die jüngsten Gefechte zwischen Polizisten und Gangstern vor. Wir möchten dich zu einem Interview einladen, das wahrscheinlich von mir geführt wird.«
»Du arbeitest doch gar nicht für das A-Studio.«
»Ich werde möglicherweise dorthin wechseln. Ich habe allmählich genug vom Nachrichtenstudio und möchte aus verschiedenen Gründen die Politikredaktion verlassen.«
»Ich glaube, das kann ich nicht machen. Erstens habe ich keine Lust, öffentlich über den Tod meines Kollegen zu sprechen, und zweitens bist du offiziell immer noch eine Verdächtige in einem ungeklärten Fall, in dem ich die Ermittlungen leite.«
»Bin ich das? Können wir uns trotzdem treffen? Vielleicht heute Abend zum Essen, ich lade dich ein.«
»Einladen wirst du mich nicht. Wie gesagt, du gehörst nach wie vor zu den Verdächtigen. Aber okay, treffen wir uns. Wann und wo?«
Als ich auflegte, kam ich mir wie eine Blutsaugerin vor. Ich würde Tarja Kivimäki auf keinen Fall ein Interview geben. Aber ich wollte ihr Informationen abluchsen, was beim Abendessen bestimmt leichter war als im Vernehmungsraum.
Glücklicherweise war Leevi Säntti zu Hause und nicht auf Predigerfahrt. Ich stellte mich vor und bemühte mich, möglichst Respekt gebietend aufzutreten.
»Wovon sprechen Sie? Hat meine … ähm … meine Frau noch jemanden ermordet?«
»Wieso noch jemanden?«, fragte ich, obwohl ich genau wusste, was er meinte.
»Sie hat unser Kind ermordet, sie hat es abtreiben lassen. Und wer einmal den Weg der Sünde beschreitet …«
»Herr Säntti, Ihre Frau ist lediglich in diesen Fall verwickelt.
Wir können genauer darüber sprechen, wenn ich bei Ihnen bin.«
Leevi Säntti hatte sich eine angenehme Stimme antrainiert, sie klang ähnlich manipulativ wie die von Kari Hanninen. Ich hätte Hanninen anrufen müssen, brachte es aber nicht über mich. In den letzten
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