Lehtolainen, Leena
zurück.
»Touché. Hast du etwas dagegen, dass ich unser Gespräch aufnehme?«
»Wofür willst du die Aufnahme verwenden? Einem Interview habe ich nicht zugestimmt.«
Sie holte tief Luft, kam jedoch nicht dazu zu antworten, weil der Kellner an unseren Tisch trat und fragte, ob wir schon gewählt hätten. Da mir nichts Besseres einfiel, bestellte ich Rasta mit Meeresfrüchten. Was ich aß, war mir eigentlich egal, nur durfte es weder Fleisch noch Tomaten enthalten, auf die hatte ich im Moment absolut keinen Appetit.
»Hör dir wenigstens an, was wir für die Sendung geplant haben«, sagte Tarja, nachdem sie Jambalaya und mexikanisches Bier bestellt hatte. »Wir wollen nicht nur das Geiseldrama in Nuuksio behandeln, sondern generell die Tendenz der Polizei, mit Waffengewalt einzuschreiten, von der Geschichte in Mikkeli angefangen. Natürlich kommen auch die Ereignisse in Hirsala und Vesala zur Sprache und der Zwischenfall an der Polizeischule in Tampere.«
»Warum willst du gerade mich interviewen?«
»Den Presseberichten zufolge hat Halttunen zuerst versucht, das Auto des anderen Beamten aufzubrechen, der ihn vernommen hatte, und nur weil ihm das nicht gelang, musste er sich mit Hauptmeister Palo begnügen. Es war nicht schwer, die Identität dieses zweiten Beamten festzustellen. Ich möchte eine Art Gedankenspiel mit dir machen: Welches Vorgehen hättest du dir von der Polizei erhofft, wenn du in der Hütte gewesen wärst?«
»Das klingt eher nach Sensationsmache als nach einer sachlichen Reportage. Derartige Spekulationen interessieren mich nicht.«
»Wirklich nicht? Ist die Polizei deiner Meinung nach richtig mit der Situation umgegangen? Hast du gar nichts zu kritisieren?«
Natürlich gab es mehr als genug zu kritisieren. Aber ich hatte nicht die Energie, mich an dem endlosen Hickhack zu beteili-gen. Irgendwie wäre es eine Erleichterung gewesen, meine Trauer, meinen Hass und meine Angst über den Bildschirm in jedes zweite finnische Wohnzimmer schwappen zu lassen. Aber Palo hätte das sicher nicht gewollt. Offenbar hatte ich eine goldene Polizeiregel bereits verinnerlicht: Es widerstrebte mir, das eigene Nest zu beschmutzen.
»Ist es nicht unmoralisch zu schweigen, wenn man sieht, dass etwas falsch gemacht wird?«, fuhr Kivimäki fort.
»Ich fände es unmoralisch, mich von jemandem interviewen zu lassen, der in einen Todesfall verwickelt ist, bei dem ich ermittle.«
»Das Interview kann auch jemand anders machen.«
»Vergiss das Interview. Warum willst du überhaupt ins A-Studio wechseln? Da wirst du doch vor die Kamera treten müssen.«
»Dafür gibt es viele Gründe. Unter anderem kann ich dort längere und gründlichere Reportagen machen als im Nachrichtenstudio. Dazu kommen persönliche Beweggründe, die in gewisser Weise auch etwas mit moralischen Überlegungen zu tun haben.«
Der Kellner brachte die Salatteller, und ich schaufelte mir den Mund voll, um nichts sagen zu müssen. Natürlich gäbe es eine Bombengeschichte, wenn gerade ich die Einsatzleitung kritisieren würde. Das einsame Cowgirl in der Männerwelt der Polizei hat einen schärferen Blick für die Fehler als alle anderen. Bei Ermittlungen machte es mir nichts aus, mich persönlich zu exponieren, aber an die Öffentlichkeit wollte ich nicht gehen.
Das sagte ich Tarja Kivimäki dann auch, als ich den Mund wieder leer hatte.
»Schade. Ich hatte gehofft, wir könnten uns gegenseitig helfen.«
»Inwiefern?«
»Bisher habe ich gezögert, Elinas Vertrauen zu missbrauchen, denn es geht um etwas, was sie nur mir anvertraut hat. Aber ich habe nachgedacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass es eventuell ein Motiv für den Mord an Elina sein kann.«
Wie gewöhnlich sprudelte ich los, ohne vorher nachzudenken.
»Du willst mir also ein Motiv für den Mord an Elina verraten, wenn ich dir ein Interview gebe! Und du hast die Stirn, mir was von Moral vorzuquasseln!« Ich stand auf und schob den Salatteller so heftig zur Seite, dass er Tarjas Bierflasche ins Kippen brachte.
»Über das Motiv für den Mord an Elina Rosberg werden wir uns im Polizeigebäude in Espoo weiter unterhalten. Passt es dir am Donnerstag um zehn? Sieh zu, dass du den Termin einhältst, sonst lasse ich dich wegen Beweisunterdrückung verhaften.
Einen schönen Abend noch!«
Elf
Als ich aus dem Restaurant stürmte, klatschte mir Schneeregen ins Gesicht. Normalerweise hätte ich mich in die nächste Kneipe gehockt und ein paar Gläser Whisky gekippt, aber in meinem
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