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Lehtolainen, Leena

Titel: Lehtolainen, Leena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Weiss wie die Unschuld
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gesegneten Zustand musste ich den Ärger anders abreagieren.
    Ein scharfer Tritt gegen eine leere Coladose, die auf dem Bürgersteig lag, half ein bisschen. Ich war wild entschlossen, an dem Vernehmungstermin festzuhalten, obwohl Tarja Kivimäki womöglich nur versucht hatte, mich auszutricksen. Egal. Ich hatte sie von Anfang an nicht gemocht, es würde mir Spaß machen, sie in die Zange zu nehmen.
    Der nächste Bus fuhr erst in einer guten halben Stunde, also ging ich in eine Kneipe, um nicht völlig durchnässt zu werden.
    Ich bestellte mir ein alkoholfreies Bier. Als ich mich nach einem Sitzplatz umschaute, stellte ich fest, dass mein Arbeitstag wohl doch noch nicht zu Ende war. Am Fenstertisch in der hintersten Ecke saß Joona Kirstilä, ein Glas dunkles tschechisches Bier und einen Laptop vor sich. Ich überlegte, ob ich es wagen durfte, ihn zu stören. Immerhin war der Laptop zugeklappt und Kirstilä starrte in sein Glas.
    Ich hatte sogar einen guten Grund, mit ihm zu sprechen: Am Morgen hatte ich auf meinem Schreibtisch einen Bericht vorgefunden, demzufolge Kirstilä nachweislich in Hämeenlinna auf Sauftour gewesen war, allerdings nicht am zweiten Weihnachtstag, sondern erst am Mittwoch, dem siebenundzwanzigsten Dezember.
    Wenn es sich um normale Wochentage gehandelt hätte, wäre ich vielleicht bereit gewesen, an eine Verwechslung zu glauben, aber selbst Kirstilä musste einen Feiertag von einem gewöhnli-chen Mittwoch unterscheiden können. Zudem hatte er ja behauptet, Elina vor Weihnachten zum letzten Mal gesehen zu haben, während ich nun wieder davon ausgehen musste, dass er am Abend des zweiten Weihnachtstages in Nuuksio gewesen war.
    Also nahm ich mein Glas und ging an seinen Tisch. Kirstilä sah auf und nickte mir zu, ganz nüchtern war er offensichtlich nicht mehr. Seine braunen Augen wirkten jung und glänzend, doch um den Mund hatten sich Falten gebildet, die selbst die entspannende Trunkenheit nicht vertreiben konnte.
    »Wie geht’s voran?«, fragte ich, weil mir auf die Schnelle nichts anderes einfiel.
    »Gar nicht. Anscheinend sind mit Elina auch die Worte gestorben. Zum Glück gibt’s den Alkohol. Habt ihr schon etwas herausgefunden?«
    »Allerdings. Du warst an dem bewussten Abend nicht in Hämeenlinna, sondern erst einen Tag später. Das können mindestens zehn Leute bestätigen.«
    »Ich bin zum Saufen hier, Mensch! Willst du mich ins Kreuzverhör nehmen, oder was?« Sein Gebrüll übertönte sogar den Song von »Green Days«, der im Radio dudelte. Die Leute an den Nebentischen sahen neugierig zu uns herüber.
    »Beruhige dich, ich geh ja schon. Ich ruf dich morgen an, dann besprechen wir, wann du aufs Revier kommst.« Ich stand auf.
    »Muss ich da wirklich hin? Das Gebäude widert mich an.
    Reden wir lieber hier.« Ich setzte mich wieder hin, obwohl ich genau wusste, dass unsere Unterhaltung keinen offiziellen Wert hatte: Kirstilä war betrunken, ich war allein. Aber mein Bus fuhr erst in einer halben Stunde, und der Schneeregen wurde immer heftiger. Es gibt kaum eine trostlosere und hässlichere Gegend als den Helsinkier Busbahnhof bei Schneeregen. Wenn man ihn jedoch durch die blau-grün-violette Glasmalerei betrachtete, die das Fenster der Kneipe schmückte, wirkte er ganz ansprechend.
    Das farbige Glas verzerrte die Fenster des gegenüberliegenden Gebäudes zu dekorativen Vielecken und färbte die schlammbe-spritzten Busse in den schönsten Pastelltönen.
    Kirstilä trank sein Glas aus und winkte zum Tresen. Offenbar war er Stammkunde, denn die Bedienung brachte ihm ein frisch gezapftes Bier an den Tisch und war sogar bereit, es anzuschrei-ben. Der Dichter nahm einen tiefen Zug, bevor er zögernd sagte:
    »Ich habe mich wohl im Datum geirrt. Vielleicht hab ich mich doch erst am Mittwoch mit den Kumpels in Hämeenlinna besoffen.«
    »Wie hast du denn nun die Feiertage verbracht? Bist du zwischendurch aus Hämeenlinna zurückgekommen, um Elina zu sehen, oder wie?«
    »Ja. Ich hatte Sehnsucht nach ihr.«
    Kirstilä strich sich die Haare aus dem Gesicht und fischte eine zerdrückte Zigarettenschachtel aus der Tasche, deren letztes Stäbchen fast durchgebrochen war. Es wollte ihm nicht gelingen, ein Streichholz anzureißen, sodass ich ihm schließlich die Schachtel aus der Hand nahm und ihm die Zigarette anzündete, obwohl der Qualm mich noch mehr störte als gewöhnlich.
    Gelegentliches Passivrauchen würde meinem Baby wohl nicht schaden, in Frischhaltefolie konnte ich mich seinetwegen ja

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