Lehtolainen, Leena
nun auch nicht wickeln.
»Weihnachten macht mich immer sentimental. Dieses ganze Familientrara und Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen. Ich fand es einfach verrückt, Weihnachten mit meinen Eltern und meiner Schwester zu feiern, die ich gar nicht besonders mag, während der einzige Mensch, aus dem ich mir wirklich was mache, hundert Kilometer weit weg ist. Am zweiten Weihnachtstag habe ich abends bei Elina angerufen und sie zu mir eingeladen. Sie hat gesagt, sie könne nicht weg, weil sie was erledigen müsse, aber ich solle doch nach Rosberga kommen. Um die Zeit kam man da nur noch mit dem Taxi hin, aber sie meinte, sie würde die Fahrt bezahlen.«
Kirstilä hatte Elina am Tor des Gutshauses getroffen. Elina war schwer erkältet gewesen, wollte aber unbedingt für eine Weile aus dem Haus, um »den Kopf auszulüften«, wie sie sagte.
Kirstilä hatte den Eindruck gewonnen, dass die Feiertage für Elina unerwartet anstrengend gewesen waren.
»Bestimmt lag es an Weihnachten und der allgemeinen Senti-mentalität, dass ich Elina ganz merkwürdige Vorschläge gemacht habe. Ich hab sie gefragt, ob wir nicht zusammenziehen sollen. Aber sie hat sich geweigert und gesagt, so wie ihr Leben jetzt gerade aussehe, könne sie auf keinen Fall an eine so gewaltige Veränderung denken.«
Das stimmte mit Millas Aussage überein. Aber was hatte Aira auf die Idee gebracht, dass Joona Kirstilä sich von Elina trennen wollte? Was er mir erzählte, klang eher so, als wäre es umge-kehrt gewesen.
»Elina wollte eure Beziehung also unverändert weiterführen?«
Ich trank mein alkoholfreies Bier aus und hatte gleich Lust auf ein zweites. Um die Wahrheit zu sagen, hatte ich Lust auf ein richtiges Bier, aber mein Über-Ich war dagegen.
»Ja. Wir haben uns deswegen sogar gestritten. Ich hatte mir eingebildet, Elina würde sich darüber freuen, dass ich es nicht mal über Weihnachten ohne sie aushalte. Kindisch. Es ist, nee, es war nur so verflucht umständlich, weil sie so weit weg wohnte und das Haus immer voller Frauen hatte. Wenn ich zum Beispiel einfach so ex tempore mit ihr schlafen wollte, war nix zu machen.« Kirstilä verzog den Mund und sah plötzlich aus wie mein zweijähriger Neffe Saku, wenn ihm etwas verboten wurde.
»Ich hätte mich nicht beklagen sollen, jetzt hab ich Elina überhaupt nicht mehr …« Ihm kamen die Tränen.
»Wie bist du denn nach Helsinki zurückgekommen? Wieder mit dem Taxi?«
»Ich hab im kleinen Haus übernachtet. Erst am nächsten Morgen bin ich zurückgefahren«, sagte Kirstilä müde.
»Was? Du warst in der Nacht des zweiten Weihnachtstags in Rosberga?«
»Ja, ja. Das ist ja das Schlimmste an der ganzen Sache.«
Wieder stiegen ihm Tränen in die Augen. »Elina wollte nicht, dass ich blieb, sie meinte, ich sollte wieder in die Stadt fahren.
Schließlich hat sie doch nachgegeben, aber sie wollte in ihrem Bett schlafen, weil sie so erkältet war. Ich hab bis um eins gewartet, dass sie doch noch zu mir kommt, aber dann bin ich eingeschlafen, nachdem ich eine Flasche Rotwein geleert hatte, die im Schrank stand. Und am nächsten Morgen«, er schluckte,
»war ich stinksauer, weil Elina nicht aufgekreuzt war, und bin mit dem ersten Bus in die Stadt. Und jetzt denk ich die ganze Zeit, wenn ich drauf bestanden hätte, bei Elina zu schlafen, wär sie noch am Leben.« Er schluchzte auf.
Mein Bus fuhr gleich und der nächste ging erst wieder in einer Stunde. Es blieb mir nichts anderes übrig, als Kirstilä mit seinem Kummer allein zu lassen, so Leid er mir auch tat.
Allerdings hatten die hübschen jungen Frauen am Nebentisch ihn offenbar erkannt, vielleicht würde es gar nicht lange dauern, bis sie sich zu ihm setzten und ihn trösteten.
»Wir hatten uns ziemlich frostig voneinander verabschiedet«, seufzte Kirstilä und wischte sich mit seinem roten Schal über das Gesicht. Ich hatte mir bereits den Mantel angezogen, blieb aber stehen und hörte ihm zu. »Ich hatte mein Handy dabei und hab Elina nochmal angerufen, so gegen eins, aber sie sagte, sie hätte jetzt keine Zeit, sie wäre mitten in einem Gespräch.«
»Mit wem?«, stieß ich aufgeregt hervor, denn alle Frauen in Rosberga hatten bestritten, Elina nach ihrem Abendspaziergang noch einmal gesehen zu haben.
»Sie hat nur gesagt, sie würde es mir später erzählen, die Sache beträfe auch mich. Sie klang irgendwie … als wäre sie betrunken. Aber das war ich auch.«
Ich musste mich sputen, um den Bus nicht zu verpassen,
Weitere Kostenlose Bücher