Lehtolainen, Leena
gedroht, die Zeugin festnehmen zu lassen, falls sie nicht zur Vernehmung erscheint, deren Termin Sie völlig willkürlich, ohne Rückfrage bei der Zeugin, festgesetzt haben.«
»Hauptmeister Kallio hat in letzter Zeit viel durchgemacht, es ist deshalb verständlich, wenn sie einmal etwas zu hart reagiert«, mischte sich Taskinen ein. Er blickte immer noch haarscharf an mir vorbei, und man sah ihm an, wie peinlich ihm das Ganze war. Im vergangenen Jahr war es bei Ermittlungen in Fällen von Wirtschaftskriminalität mehrfach zu heftigen Zusammenstößen zwischen Taskinen und dem Polizeipräsidenten gekommen, nach allem, was ich gehört hatte, war ihr Verhältnis nicht mehr nur kühl, sondern geradezu eisig.
»Wenn das Fräulein Hauptmeister, pardon, die Frau Hauptmeister nicht einsatzfähig ist, sollte sie sich krankschreiben lassen.«
»Die Zeugin Kivimäki hat mir einen Handel vorgeschlagen.
Sie wollte mich über ein plausibles Motiv für den Mord an Elina Rosberg informieren, unter der Bedingung, dass ich ihr ein Interview gebe. Sie hat mit anderen Worten zugegeben, wichtige, vielleicht entscheidende Informationen zurückgehalten zu haben. Was hätte ich da Ihrer Ansicht nach tun sollen?«
Ich starrte das Doppelkinn des Polizeipräsidenten an und erinnerte mich an Tarja Kivimäkis Worte über den Wechsel ihres Arbeitsplatzes. Sie hatte gesagt, es gebe moralische Gründe, die ihre Tätigkeit in der politischen Nachrichtenredaktion erschwerten. Bei dem moralischen Grund handelte es sich offenbar um Minister Martti Sahala. Was in aller Welt sah sie in ihm? Der Mann war doch nichts weiter als ein kleiner Phrasen-drescher, der auf einem Kartoffelacker groß geworden war.
Faszinierte sie die Macht? Sahala wurde ja immer wieder als der heimliche Ministerpräsident bezeichnet. Er war nicht viel älter als vierzig, gehörte aber schon seit rund zwanzig Jahren zur politischen Elite und hatte bereits drei Ministerien geleitet.
»Sie sind kein kleines Mädchen mehr, Hauptmeister Kallio.
Als Polizist braucht man psychologisches Einfühlungsvermö-
gen. Manchmal erweisen sich kleine Zugeständnisse als nützlich.«
Ich versuchte mich zu beherrschen und seine Kinnfalten zu zählen, aber als ich bei fünf angelangt war, hielt es mich nicht länger:
»Gelten für die Mätressen des Innenministers andere Gesetze als für Normalsterbliche?«
Das war selbst für den Polizeipräsidenten zu viel. Sein Schrei-anfall war ausgesprochen dramatisch. Im Wesentlichen riet er mir, mich umgehend krankschreiben zu lassen, sonst würde ich vom Dienst suspendiert. Taskinen und ich waren mucksmäuschenstill wie zwei Kinder, die mit Streichhölzern gespielt und dabei die Sauna angezündet haben.
»Jyrki, ich verlasse mich darauf, dass du deinen Untergebenen klar machst, was Taktgefühl bedeutet!«, donnerte der Polizeipräsident abschließend, walzte grußlos zur Tür hinaus und knallte sie hinter sich zu. Nun sah Taskinen mich zum ersten Mal an.
»Erklär mir doch bitte noch einmal, was passiert ist.«
Ich erzählte es ihm, und obwohl ich mich um einen ruhigen Ton bemühte, steckte meine Wut auch Taskinen an.
»Kivimäki war offenbar schwer beleidigt, sonst hätte sie nicht so viel Wind um die Sache gemacht«, sagte er schließlich.
»Am Donnerstag um zehn sitzt die Frau mir hier in diesem Haus gegenüber. Spielchen spielen kann ich auch. Würden sich die Boulevardblätter nicht alle zehn Finger lecken nach einer Story über den Innenminister, der seine Geliebte vor Mordver-dacht schützt?«
»Ruhig Blut, Maria! Mach dir das Leben nicht schwerer, als es ist.«
»Wenn die Kivimäki wirklich das Motiv für Elinas Ermordung kennt, quetsch ich es aus ihr heraus, so wahr ich … weiß, dass Martti Sahala aufgedoppelte Schuhe trägt«, prustete ich. Meine Wut entlud sich in hysterischem Kichern, das nur noch wilder wurde, als ich mir Martti Sahala in einer Liebesnacht vorstellte, wie er sich gerade seiner langen, garantiert hellblauen Unterho-sen entledigte. Taskinen sah mich eine Weile an, dann holte er eine Flasche Mineralwasser aus dem Schrank.
»Trink das, und dann beruhige dich mal. Bist du sicher, dass du nicht noch eine Weile Urlaub brauchst?«
»Natürlich bräuchte ich Urlaub, so wie du und Pihko auch. In diesem Laden kriegt man ja Brechreiz, wenn man bloß an den Chef denkt. Schon gut, du kannst unbesorgt sein, ich fang nicht wieder an. Ich fahre mit dem Nachtzug nach Oulu und benehme mich einwandfrei. Und wenn ich am
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