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Lehtolainen, Leena

Titel: Lehtolainen, Leena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Weiss wie die Unschuld
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zulässt, dass mein Kind getötet wird?«
    »Das Kind wäre wohl in jedem Fall gestorben und Ihre Frau auch, wenn die Schwangerschaft weiter fortgeschritten wäre.«
    »Der Herr hat schon größere Wunder vollbracht. Vielleicht hätte er Johanna und das Kind verschont, wenn wir uns klaglos seinem Willen gefügt und auf die Kraft des Gebetes vertraut hätten.«
    Ich sah Leevi Säntti ungläubig an und erkannte im selben Moment, was er mit Kari Hanninen gemeinsam hatte. Beide drehten ihren persönlichen Charme voll auf, wenn sie von Dingen sprachen, die ihren Gesprächspartnern besonders unglaubhaft erschienen. Säntti war sicher ein charismatischer Prediger.
    »Hätten Sie Ihre Frau nach der Abtreibung wieder in Ihrem Haus aufgenommen?«
    »Abtreibung ist eine sehr schwere Sünde, auch wenn die weltliche Gesellschaft sie gestattet. Natürlich brauchen die Kinder ihre Mutter, aber vielleicht ist es besser, sie wachsen mutterlos auf als unter der Lenkung einer gottlosen Mutter.«
    Minna machte eine abrupte Bewegung und stieß mit dem Ellbogen gegen das Tonbandgerät, dabei flog ein Stapel Papiere auf den Boden. Ich war froh über die Unterbrechung, die mir Zeit gab, mich zu beruhigen. Es war nicht meine Aufgabe, Leevi Sänttis Weltsicht zu verändern, dazu wäre ich auch gar nicht fähig gewesen. Trotzdem fiel es mir schwer, ihm widerspruchs-los zuzuhören.
    »Unsere Religion verbietet die Ehescheidung. Trotzdem will Johanna sie durchsetzen. Um der Kinder willen habe ich mich bemüht, großzügig zu sein, ich habe Johanna in der letzten Woche sogar gestattet, unter meinem Dach zu übernachten, obwohl ich befürchtete, dass sie die Seele meiner Kinder vergiftet. Sie will die Kinder für sich, obwohl sie ihnen nicht einmal ein Zuhause bieten kann. Sie …«, Leevi Säntti breitete die Arme aus, beinahe als ahme er den gekreuzigten Christus nach, »sie will mich und meine Familie zerstören.«
    »Sie werden ihr also die Kinder nicht überlassen?«
    »Nein, zumindest nicht kampflos. Und Gott steht auf meiner Seite.«
    Ich wusste nicht, ob ich an Gott glaubte, aber ich glaubte auf keinen Fall an einen Wunschautomaten, der Wünsche erfüllt, wenn man nicht vergisst, regelmäßig die Hände zu falten. Und ein Gott, der eine Mutter von neun kleinen Kindern lieber sterben lässt als ihr eine lebensrettende Abtreibung zu erlauben, konnte mir ebenfalls gestohlen bleiben. Ich spürte schon wieder die Wut in mir aufsteigen und konnte mir kaum noch die Frage verkneifen, ob Leevi Säntti jemals von Kondomen gehört hatte.
    »Sie haben mehrmals angedeutet, Ihre Frau könnte Elina Rosberg getötet haben. Haben Sie eine Vorstellung, weshalb?«
    Leevi Säntti sah mich tieftraurig an.
    »Fräulein Rosberg hat meine Frau zu der Abtreibung ermutigt, das haben Sie doch selbst gesagt. Vielleicht hat Johanna schließlich erkannt, dass sie gesündigt hat, und wollte ihre Versucherin töten.«
    Ich seufzte. Obwohl Johanna nach dieser Logik auch das Krankenhauspersonal töten müsste, das den Abbruch durchgeführt hatte, machten mich Sänttis Worte nachdenklich. Um Elinas Tod lag tatsächlich eine Aura von Wahnsinn. Vielleicht war das die Erklärung. Psychisch stabil war Johanna gewiss nicht.
    »Wo waren Sie in der Nacht nach dem zweiten Weihnachtstag?«
    »Ich? Zu Hause. Oder nein – ich glaube, ich war doch nicht hier … Einen Moment.« Säntti, ganz Geschäftsmann, nahm einen Time Manager aus seiner Aktentasche.
    »An diesem Tag bin ich bis nach Südfinnland gefahren … In Vihti fand eine geistliche Zusammenkunft statt, zu der ich als Prediger eingeladen war.«
    »In Vihti, so.« Nicht weit von Nuuksio also. »Wo haben Sie übernachtet?«
    »Bei einem Glaubensbruder in Vihti.«
    »Sie haben nicht zufällig einen Abstecher nach Nuuksio gemacht?«
    »Wozu?«
    »Um Ihre Frau zu besuchen … Oder Elina Rosberg. Mit ihr haben Sie doch an dem fraglichen Abend um elf Uhr telefoniert.
    Worum ging es in dem Gespräch?«

    Säntti blickte nach oben. Bat er seinen Gott um Hilfe?
    »Ich habe sie nicht angerufen«, sagte er schließlich und sah mir geradewegs in die Augen.
    »Betrachtet Ihre Religion die Lüge nicht als Sünde? Sie haben angerufen. Und zwar bei Elina Rosbergs Privatanschluss, nicht bei dem allgemeinen Anschluss im Gutshaus, den auch Ihre Frau benutzt.«
    »Und wenn ich diese Frau zur Vernunft bringen wollte? Wenn ich sie gebeten habe, meine Frau zu mir zurückzuschicken?«
    »Am zweiten Weihnachtstag um elf Uhr nachts?«, fragte ich

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