Leibniz war kein Butterkeks
Wissenschaft und Aberglaube unterscheiden könne. Im Grunde sei es beliebig, ob man wissenschaftliche Werke studiere oder aus dem Kaffeesatz lese.
Über so viel »Mut zur Unwissenheit« hätte wohl selbst Sokrates gestaunt. Und wahrscheinlich hätte er seinen Schülern empfohlen, Feyerabends Erkenntniszweifel stark anzuzweifeln. Denn so wenig wir über die Welt »an sich« wissen mögen: Dass es in den letzten Jahrzehnten einen beachtlichen Zuwachs an Wissen »für uns« gegeben hat, lässt sich ernsthaft kaum bestreiten. Aus diesem Wissenszuwachs resultierten nicht nur technische Errungenschaften, auf die nur die wenigsten gerne verzichten würden, sondern auch so mancher gesellschaftliche Fortschritt. Sokrates zumindest hätte sicher liebend gern mit Karl Popper getauscht, denn der wurde für sein Lebenswerk nicht zum Tode verurteilt, sondern zum Ritter geschlagen. Wenn das für »Weisheitsliebende« (Philosophen) kein Fortschritt ist, was dann?
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Gibt es einen Gott?
Wir haben gestern über die Unterschiede zwischen wissenschaftlichem Denken und religiösem Glauben gesprochen. Ich denke, an dieser Stelle sollten wir jetzt weitermachen. Was meinst du?
Einverstanden.
Ich habe da eine Frage, von der ich mir zwar denken kann, wie du sie beantwortest, ich will sie aber trotzdem stellen.
Nur raus damit!
Ich möchte aber nicht, dass du mich auslachst!
Hey, warum sollte ich dich denn auslachen?
Na, weil die Frage irgendwie bescheuert naiv klingt.
Aha! Wie lautet deine Frage denn?
Versprich mir erst, dass du nicht lachen wirst!
Gut, ich verspreche es!
Also: Meine Frage lautet … [Pause]
Ja? Du machst es aber wirklich spannend …
Sie lautet: Gibt es einen Gott?
Hahaha! Entschuldige, dass ich jetzt doch lachen muss! Das liegt nicht an deiner Frage, sondern daran, dass du dich so furchtbar windest, mir diese Frage zu stellen.
Bitte bleib ernst! Also: Wie lautet deine Antwort? Gibt es einen Gott?
Es wird dich vielleicht wundern, aber ich habe absolut keine Ahnung, ob es einen »Gott« gibt oder nicht! Ich weiß noch nicht einmal, was deine Frage bedeuten soll.
Was?! In den Medien wirst du als »Deutschlands Chef-Atheist« bezeichnet und jetzt antwortest du mir, dass du gar keine Ahnung hast, ob ein Gott existiert oder nicht? Wie passt denn das zusammen?
Das erkläre ich dir gerne! Lass mich dir aber zuerst eine Gegenfrage stellen: Was würdest du mir antworten, wenn ich dich frage, ob es einen quasiolytischen Phraseometer gibt oder nicht?
Was für ein Ding?
Ein quasiolytischer Phraseometer. Gibt es den oder gibt es den nicht?
Keine Ahnung. Ich weiß ja nicht einmal, was mit dem Wort »quasiolytischer Phraseometer« gemeint ist!
Siehst du, genauso geht es mir mit dem Begriff »Gott«! Mir ist völlig unklar, was sich hinter diesem Wort verbirgt. Deshalb habe ich auch Probleme mit dem Wort »Atheismus«, also mit der prinzipiellen Leugnung der Existenz Gottes. Denn man kann ja vernünftigerweise nur etwas bestreiten, was einigermaßen klar definiert ist. Das ist aber beim Begriff »Gott« nicht der Fall.
Weil jeder seine eigene Gottesvorstellung hat?
Ja. Ich habe schon Leute getroffen, die sagten, »Gott ist die Liebe« oder »Gott ist die Summe allen Seins im Universum«. Da ich weder an der Existenz des Universums noch an der Möglichkeit von Liebe zweifle, bestreite ich nicht, was sie unter »Gott« verstehen. Allerdings würde ich es doch sehr vorziehen, die Liebe als »Liebe« und das Universum als »Universum« zu bezeichnen – statt als »Gott«. Unklare Begriffsverwendungen schaffen nur Verwirrung.
Okay, das verstehe ich. Allerdings meinte ich mit »Gott« nicht bloß ein anderes Wort für »Liebe«, sondern ein »höheres Wesen«, das jenseits unserer Vorstellung real existiert. Kann es einen solchen »Gott« geben?
Natürlich kann es einen »unvorstellbaren Gott« geben.
Wie bitte?!
Es kann sogar ein ganzes Heer von »unvorstellbaren Göttern und Göttinnen« geben. Oder aber gar nichts dergleichen. Über »Unvorstellbares« kann man logischerweise keine Aussagen machen! Denn das Unvorstellbare liegt per definitionem jenseits unserer Vorstellung.
Du weigerst dich also Aussagen über »Gott« zu machen, weil »Gott« so eine Art »Ding an sich« ist?
Ja, vielleicht ist er das. Möglicherweise ist »Gott« aber auch ein »Unding an sich« – etwas, das »an sich« gar nicht existiert, sondern bloß als fixe Idee in den Köpfen von Menschen herumspukt. Wer will sich
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