Leibniz war kein Butterkeks
Sprachgebrauch der Nazis übernimmt, der verhöhnt erstens die Opfer dieses Massenmords und vergeht sich zweitens an den berechtigten Interessen der Menschen, die sich heute mit guten Gründen gegen eine Verlängerung ihres Leidens entscheiden. Ich meine: Die Tatsache, dass Menschen fremdbestimmt sterben mussten , kann doch beim besten Willen nicht dafür herhalten, dass Menschen nicht selbstbestimmt sterben dürfen ! Das Prinzip der Selbstbestimmung muss gerade auch am Lebensende gelten, denn zum »guten Leben« gehört auch das »gute Sterben«.
Du meinst also, die Gesellschaft sollte den Menschen das Recht auf einen selbstbestimmten Tod ermöglichen?
Ja, und deshalb habe ich auch größten Respekt vor den Ärzten, die den Wunsch ihrer Patienten ernst nehmen und »Beihilfe zur Selbsttötung« leisten, obwohl sie sich damit in eine gefährliche, rechtliche Grauzone begeben.
Ist denn die »Beihilfe zur Selbsttötung« in Deutschland verboten?
Nein, nicht direkt. Aber der Arzt darf die für die Selbsttötung geeigneten Wirkstoffe nicht zu diesem Zweck verordnen. Tut er es trotzdem, so verstößt er nicht nur gegen das »ärztliche Standesrecht«, sondern unter Umständen auch gegen das Arzneimittel- beziehungsweise Betäubungsmittelgesetz. Übrigens sind diese Gesetze mitverantwortlich dafür, dass Kranke meist nicht ausreichend mit den Mitteln versorgt werden, die ihnen die letzte Zeit erleichtern könnten. Wir verfügen zwar über die Möglichkeiten, schwerstkranken Menschen nicht nur die Schmerzen zu nehmen, sondern auch ihre Ängste und Depressionen zu lindern. Aber das Zerrbild einer möglichst »drogenfreien Welt« verhindert, dass diese Mittel in ausreichendem Maße eingesetzt werden. Das ist ein echter Skandal! Hier müssen wir in der Tat eine neue »Sterbekultur« entwickeln, wie es der Arzt Michael de Ridder unlängst gefordert hat. Wir brauchen eine Medizin, in deren Mittelpunkt der »kranke Mensch« – nicht das »kranke Organ« – steht, eine Medizin, die »zwischen sinnvoller Lebensverlängerung und qualvoller Sterbeverzögerung zu unterscheiden vermag«! Wenn die Ärzte endlich einsehen, dass es nicht ihre Pflicht ist, unbedingt Leben zu erhalten, sondern dass ihnen unter Umständen auch die Aufgabe zufällt, ihren Patienten zu helfen, würdevoll aus dem Leben zu scheiden, würde das viel Leid ersparen.
Okay, das finde ich alles sehr nachvollziehbar. Aber: Besteht nicht die Gefahr, dass die Freigabe der Sterbehilfe missbraucht werden könnte? Würde dadurch nicht beispielsweise der Druck auf alte oder kranke Menschen steigen, ihrem Leben frühzeitig ein Ende zu setzen?
Dieses »Dammbruch-Argument« klingt im ersten Moment vernünftig, ist aber erstens empirisch widerlegt (in den Ländern, die die direkte aktive Sterbehilfe erlaubt haben, ist es nicht zu den befürchteten Folgen gekommen) und steht zweitens logisch auf äußerst wackligen Füßen: Denn ebenso wenig, wie sich aus dem Recht zu leben eine Pflicht zu leben ableiten lässt, kann aus dem Recht zu sterben eine Pflicht zu sterben entstehen! Ich kenne viele Menschen, die aktiv für die Liberalisierung der Sterbehilfe kämpfen, Ärzte, die Beihilfe zum Suizid leisten, die führenden Köpfe von »Dignitas«, »Dignitate« oder der »Deutschen Gesellschaft für humanes Sterben« – all diese Menschen sind entschiedene Humanisten! Die Vorstellung eines »sozialverträglichen Ablebens« alter, kranker Menschen ist ihnen völlig fern. Und deshalb setzen sie sich auch nicht bloß für klare Regeln bei der Sterbehilfe ein, die Missbrauch verhindern, sondern ebenso für eine Veränderung der Gesellschaft, die die Nöte und Bedürfnisse der Alten, Kranken und Schwachen viel stärker berücksichtigen müsste, als dies heute geschieht.
Wer sich für das »gute Sterben« engagiert, sollte sich also auch dafür einsetzen, dass möglichst viele ein möglichst »gutes Leben« führen können …
Absolut! Unser Ziel sollte eine humanere Gesellschaft sein, in der möglichst jeder von uns eine positive Antwort auf die Frage geben kann, ob es sich zu leben lohnt! Der Freitod sollte nur die allerletzte Option sein, ein Ausweg, den man wirklich nur unter der Voraussetzung wählen sollte, dass tatsächlich keine realistischen Chancen mehr auf ein lohnendes Leben bestehen.
Wäre es dann nicht sinnvoll, wenn wir jetzt darüber reden würden, was es bedeutet, für eine »humanere Gesellschaft« zu streiten?
Das ist eine gute Idee! Auf unserem Streifzug durch
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