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Leibniz war kein Butterkeks

Titel: Leibniz war kein Butterkeks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lea; Schmidt-Salomon Salomon
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widersprechen, zieht ein postkonventionell denkender Mensch daraus den Schluss, dass diese Normen aufgegeben werden müssen. Denk etwa an die Überwindung der Diskriminierung von Frauen oder Schwulen, die einst mit »heiligen Werten« begründet wurde. Auf Stufe 6 wird diese ethische Perspektive noch einmal erweitert: Hier orientiert man sich nicht mehr an gesellschaftlichen Nutzenserwägungen, sondern an höheren Prinzipien (beispielsweise am Ideal einer »universellen Gerechtigkeit«, die nicht nur die Mitglieder der eigenen Gesellschaft berücksichtigt), anhand derer man die Angemessenheit ethischer Entscheidungen in konkreten Situationen beurteilt.
    Hmmm … Die religiöse Moral scheint mir eine Mixtur aus präkonventionellem und konventionellem Moralverständnis zu sein, oder? »Gott« droht den Menschen in der Bibel mit schrecklichen Strafen, wenn sie seine Gebote überschreiten, oder garantiert ihnen seinen Segen, wenn sie sich an die Gebote halten. Das entspricht etwa der präkonventionellen Stufe.
    Stimmt!
    Gleichzeitig versuchen die Gläubigen »gute Mädchen und Jungs« zu sein und haben »Gewissensbisse«, wenn sie die Glaubensregeln übertreten. Ihre Geistlichen wiederum behaupten, dass die Einhaltung der von ihnen geforderten Gebote und Verbote notwendig ist, um Gesetz und Ordnung aufrechtzuerhalten. So ist ja beispielsweise der Papst felsenfest davon überzeugt, dass unsere soziale Ordnung zusammenbrechen würde, wenn wir die alten Moral-Konventionen über Bord werfen, etwa indem wir die Homo-Ehe fördern oder Empfängnisverhütung beim Sex praktizieren.
    Gut beobachtet! Religiöse Moral ist in der Tat meist konventionelle Moral . Sie sucht nicht nach neuen Lösungen für ethische Konflikte , sondern beruft sich auf alte Traditionen , die angeblich »heilig«, also »unantastbar«, sind. Daher wird man kaum je einen Text eines Papstes finden, der das postkonventionelle Niveau erreichen würde. Wahrscheinlich ist die Tatsache, dass man auf der vierten Stufe der Moralentwicklung stehen geblieben ist, sogar eine Grundvoraussetzung dafür, um sich für die »höheren Weihen« eines Papstes, Kardinals oder Bischofs qualifizieren zu können!
    Hahaha! Das wird dem Herrn Ratzinger aber nicht gefallen …
    Na ja, er wird auch kaum in die Verlegenheit kommen, dieses Buch zu lesen. Aber sei’s drum: Eine moderne, philosophische Ethik darf sich im Unterschied zur religiösen Dogmatik keinesfalls auf geltende Konventionen stützen, sondern muss diese anhand höherer Denkprinzipien hinterfragen. Sie sollte also auf der höchsten, der sechsten Stufe der kohlbergschen Entwicklungspyramide angesiedelt sein.
    Dass eine moderne Ethik auf höchstem Niveau argumentieren sollte, ist logisch, aber ist damit nicht auch ein Problem verbunden? Es könnte doch sein, dass eine solch hochtrabende Ethik von der Mehrheit der Menschen gar nicht mehr verstanden wird! Wenn ich mich nicht irre, erreichen nach Kohlberg nur die allerwenigsten Menschen die 6. Stufe der Moralentwicklung, oder?
    Das ist richtig! Kohlberg fand bei seinen Studien heraus, dass nur ein Viertel der Menschen Stufe 5 und magere fünf Prozent Stufe 6 erreichen. Doch woran liegt das? Sollen wir wirklich davon ausgehen, dass die Mehrheit der Menschen biologisch dazu bestimmt ist, auf der konventionellen Stufe der Moralentwicklung stehen zu bleiben? Das wäre nicht nur ein zynisches Urteil, sondern auch sachlich falsch! Denn in Wahrheit stehen wir hier weniger vor einem biologischen als vor einem sozialen Problem : Dass die Menschen in ethischen Fragen meist konventionell denken, liegt daran, dass sie von Staat und Religion seit Jahrhunderten darauf gedrillt werden, sich den geltenden Konventionen zu unterwerfen, ohne diese zu überprüfen.
    Heißt das, dass man aus einer philosophischen Perspektive daran arbeiten müsste, diese Orientierung an Konventionen zu überwinden?
    Ja. Wir wären einen guten Schritt weiter, wenn der blinde Gehorsam gegenüber Konventionen nicht mehr ge achtet , sondern ge ächtet würde! Anders formuliert: Wir sollten dafür sorgen, dass das postkonventionelle Denken selbst zur Konvention wird ! Wenn es einmal selbstverständlich wäre, dass man gesellschaftliche Übereinkünfte hinterfragen muss, dass Handlungen nur dann ethisch angemessen sein können, wenn sie im Einklang mit universellen Prinzipien der Gerechtigkeit stehen, so würden weit mehr Menschen die postkonventionelle Stufe der Moralentwicklung erreichen.
    Okay, aber was, bitte

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