Leibniz war kein Butterkeks
Berücksichtigung gleichrangiger Interessen« nun auf ein Verbot der Tötung höherer Wirbeltiere hinaus oder nicht? Müssen wir also aus ethischen Gründen Vegetarier werden?
Es gibt in der Tat viele gute, ethische Gründe, die für eine vegetarische oder eine vegane Lebensweise, bei der auch auf andere tierische Produkte wie Eier, Milch oder Leder verzichtet wird, sprechen. Allerdings gibt es auch eine Reihe von Gegenargumenten, die man bedenken sollte: So dürfen wir nicht außer Acht lassen, dass der Mensch von seiner biologischen Anlage her ein »Allesfresser« ist. Die bemerkenswerte Zunahme des Hirnvolumens im Verlauf der hominiden Entwicklung ist, wie wir heute wissen, in hohem Maße auf den Konsum »veredelter« tierischer Eiweiße und Fette zurückzuführen. Deshalb ist es nicht unproblematisch, wenn sich Schwangere, Kinder oder Jugendliche rein pflanzlich ernähren. Ab einem bestimmten Reifegrad des Gehirns können wir jedoch ohne große Bedenken auf tierische Nahrungsmittel verzichten.
Verhält sich also ein Erwachsener, wenn man mal von schwangeren Frauen absieht, unethisch, wenn er Fleisch isst, obwohl er das eigentlich gar nicht müsste?
Früher hätte ich dir auf diese Frage mit einem klaren »Ja« geantwortet. Heute bin ich in diesem Punkt zurückhaltender. Denn: Warum sollte es per se verwerflich sein, einem Lebewesen die Existenz zu nehmen, das sich seiner eigenen Existenz gar nicht bewusst ist? Eindeutig unethisch sind meines Erachtens andere Aspekte, die mit der Fleischproduktion verbunden sind, nämlich, dass wir empfindsamen Lebewesen vermeidbare Schmerzen zufügen und sie unter Bedingungen halten, die ihren Bedürfnissen in keiner Weise entsprechen. So sollte es verboten sein, Hühner in Legebatterien unterzubringen, in denen sie ihrem Bedürfnis, zu scharren, nicht nachkommen können. Besonders entsetzlich sind die Bedingungen in der industriellen Schweinemast: Denn Schweine sind außergewöhnlich intelligente und sensible Lebewesen, die wir unter keinen Umständen zu einer erbärmlichen Existenz verdammen dürfen! Leider ist nur den wenigsten Menschen bewusst, dass Schweine ähnliche kognitive Fähigkeiten besitzen wie Primaten.
Der Ausdruck »dummes Schwein« stimmt also gar nicht?
Nein, er zielt meilenweit an der Realität vorbei! Schweine sind sehr viel intelligenter und empfindsamer als beispielsweise Kühe, deren Gehirne tatsächlich nicht sonderlich weit entwickelt sind. Deshalb müsste man im Hinblick auf die Schweinezucht besonders hohe ethische Anforderungen stellen. Vielleicht kommen wir ja irgendwann einmal zu der Einsicht, dass wir es prinzipiell unterlassen sollten, Schweine aus kulinarischen Gründen zu töten, so wie wir uns hierzulande auch dazu durchgerungen haben, das Abschlachten von Walen zu ächten.
Aber wenn wir kein Schweinefleisch mehr essen würden, dann würden Schweine doch bald zu den vom Aussterben bedrohten Arten gehören, oder? Warum sollte man auch Schweine halten, wenn nicht zur Fleischproduktion?
Stimmt. Das ist ein Argument, das hin und wieder von Kritikern des Vegetarismus vorgebracht wird. Der englische Schriftsteller Leslie Stephen schrieb im 19. Jahrhundert: »Das Schwein hat ein stärkeres Interesse an der Nachfrage nach Speck als irgendjemand sonst. Wären alle Juden, gäbe es überhaupt keine Schweine.« Stephen hätte statt »Juden« natürlich auch »Muslime« oder »Vegetarier« schreiben können. Tatsache ist, dass es nur deshalb so viele Schweine gibt (allein in Deutschland sind es 27 Millionen!), weil ein Großteil der Menschen keine Juden, Muslime oder Vegetarier sind. Die Situation ist paradox: Schweine verdanken ihr Leben ausgerechnet jenen Menschen, die danach trachten, ihnen das Leben zu nehmen. Aber sollte man deshalb gleich davon ausgehen, dass Schweine ein »stärkeres Interesse an der Nachfrage nach Speck« haben sollten »als irgendjemand sonst«? Nein! Dieses Argument wäre allenfalls dann berechtigt, wenn das durchschnittliche Schweineleben mehr Freude als Leid bedeuten würde. Das aber ist unter den Bedingungen der industriellen Schweinemast ganz gewiss nicht der Fall!
Heißt das, dass man aus dem »Prinzip der gleichen Berücksichtigung gleichrangiger Interessen« nicht notwendigerweise einen strikten Vegetarismus ableiten muss, wohl aber eine Reduzierung unseres Fleischkonsums?
Gut erkannt! Der Vegetarismus ist selbstverständlich ethisch legitim (und entspricht auch meinen persönlichen Neigungen), aber er ist deshalb
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