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Leibniz war kein Butterkeks

Titel: Leibniz war kein Butterkeks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lea; Schmidt-Salomon Salomon
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Talent besitzt, ein besonders kluges und freundliches Tier zu sein. Aber wenn das stimmt: Warum sind wir Menschen dann oft so grausam? Liegt das nur an den »bösen Verhältnissen«? Du meinst doch sicherlich nicht, dass wir von Natur aus »gut« sind und uns nur die gesellschaftlichen Umstände »schlecht« machen, oder?
    Nein. Das wäre ja auch unlogisch: Denn wenn der Mensch von Natur aus »gut« wäre, also friedliebend, gerecht, fürsorglich und solidarisch – wie hätten sich dann überhaupt »schlechte«, das heißt ungerechte, kriegerische, unsolidarische Verhältnisse entwickeln können? Die romantische Idee des »edlen Wilden«, der in völligem Einklang mit sich und der Natur lebt, widerspricht allen Daten, über die wir heute verfügen. Die Menschen der Frühzeit befanden sich nicht in einem »idyllischen Urzustand«, sondern mussten in der Regel einen harten Überlebenskampf führen. Natürlich gab es hier und da ökologische Nischen, in denen genügend Nahrung zur Verfügung stand und die Lage entspannter war. Doch in den meisten Fällen waren die Ressourcen knapp, was Verteilungskämpfe innerhalb der Gruppen und vor allem zwischen den Gruppen zur Folge hatte. Insbesondere im Zuge solcher Inter-Gruppen-Konflikte dürften sich die grausigsten Szenen abgespielt haben. Denn die Sieger werden sich nicht damit begnügt haben, die Habseligkeiten der Besiegten in ihren Besitz zu bringen. Viel wahrscheinlicher ist, dass sie die Frauen vergewaltigten und ihre Männer und Kinder töteten.
    Krass! Aber du hast wohl recht: Immerhin sind solche Verhaltensweisen ja nicht erst mit dem Menschen aufgetreten. In deinem letzten Buch, »Jenseits von Gut und Böse«, gibt es dieses Kapitel, in dem du über den »Krieg der Schimpansen« schreibst.
    Ach, wie kommt es, dass du das Buch jetzt doch liest? Du hast doch gesagt, es wäre dir zu schwierig …
    Na ja, im Zusammenhang mit unseren Gesprächen hab ich gedacht, dass es vielleicht doch gut wäre, wenn ich noch einmal einen Blick in das Buch werfen würde. Seltsamerweise finde ich es jetzt auch gar nicht mehr so kompliziert. Das Kapitel über den »Krieg der Schimpansen«, das ich gestern gelesen habe, fand ich sogar richtig spannend! Es hat mir bewusst gemacht, dass all die Verhaltensweisen, die wir als grausam oder zumindest als unethisch empfinden, in gewisser Form auch schon in der Natur vorkommen.
    So ist es. Selbst in Bezug auf unsere »schlechten Eigenschaften« bilden wir uns zu viel ein, wenn wir meinen, etwas ganz Besonderes zu sein! Denn schon in der nicht menschlichen Natur gibt es Betrug, Diebstahl, Raub, Erpressung, Ausbeutung, Versklavung, Vergewaltigung, ja sogar regelrechte Vernichtungskriege, wie den Ausrottungsfeldzug, den die Kasaleka-Schimpansen von 1974 bis 1977 gegen die Kahama führten und der erst endete, als sämtliche Männchen der Kahama liquidiert waren.
    Dass wir eine Veranlagung zu schrecklichen oder unethischen Taten als evolutionäres Erbe in uns tragen, kommt in deinem Buch gut heraus, finde ich. Aber wie kommst du darauf, dass wir daneben auch ein »besonderes Talent zur Freundlichkeit« besitzen?
    Auch das ist natürlich ein Erbe der Evolution! Wie ich ja schon in unserem gestrigen Gespräch sagte, zeichnen wir Menschen uns dadurch aus, dass wir »mitfühlende Lebewesen« sind, also in der Lage sind, fremdes Wohl und Wehe als eigenes Wohl und Wehe zu empfinden. Diese biologische Fähigkeit hat sich im Verlauf der Evolution entwickelt und ist tief in unseren Gehirnen verankert. Studien in den letzten Jahren haben gezeigt, dass dabei sogenannte »Spiegelneuronen« eine große Rolle spielen.
    Was sind denn »Spiegelneuronen«?
    Der Name deutet schon an, was diese Nervenzellen tun: Sie »spiegeln« die neuronalen Aktivitäten, die im Gehirn eines anderen stattfinden, den wir beobachten. Dadurch entsteht der subjektive Eindruck, dass wir selbst von der beobachteten Aktion betroffen wären. Die Schmerzrezeptoren in deinem Gehirn feuern also nicht nur, wenn du selbst mit einer Nadel in den Finger gestochen wirst, sondern auch, wenn du zusiehst, wie ich gepiekst werde.
    Es tut aber eindeutig weniger weh, wenn ich bloß zugucken muss.
    Klar! Unser Gehirn simuliert nicht hundertprozentig, was ein anderer empfindet. Wenn du selbst verprügelt wirst, fühlt sich das völlig anders an, als wenn du eine solche Szene nur von außen beobachtest. Und natürlich hast du auch andere Gefühle, wenn du selbst bei einer Lotterie das große Los gezogen hast,

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