Leibniz war kein Butterkeks
einander besser einschätzen und dadurch auch besser zusammenarbeiten. Dabei sorgte das verbesserte System von Spiegelneuronen nicht nur dafür, dass sie ein stärkeres Gefühl von Zusammengehörigkeit entwickelten. Es führte auch dazu, dass sie mehr und mehr jene Fähigkeit ausbauten, die letztlich den Erfolg unserer Spezies begründete, nämlich das Lernen durch exakte Imitation . Zwar können auch Schimpansen voneinander lernen, indem sie erfolgreiche Verhaltensweisen kopieren, aber kein Tier ist darin auch nur annähernd so gut wie wir! Wenn du mich fragst, was den Menschen im Vergleich mit allen anderen Tieren biologisch besonders auszeichnet, so würde ich sagen: Der Mensch ist der Affe, der am allerbesten nachäffen kann! Das ist unsere große Stärke.
Was ist denn am Nachäffen so bemerkenswert?
Es ist die Grundvoraussetzung aller menschlichen Kulturleistungen ! Denn ohne die Fähigkeit zur exakten Imitation gäbe es keine menschliche Sprache, keine Schrift, keine Kunst, keine Religion, keine Philosophie, kein Rechtssystem, kein Radio, kein Fernsehen, keine Nintendo Wii …
Warum?
Führ dir vor Augen, wie ein Kleinkind zu sprechen lernt: Das wäre ohne die genaue Imitation von Lautbildern gar nicht möglich. Auch das Erlernen der Schrift verlangt die Bereitschaft und Fähigkeit, vorhandene Verhaltensmuster exakt zu kopieren. Dank der Spiegelneuronen in unseren Köpfen sind uns diese Eigenschaften in die Wiege gelegt: Auf neuronaler Ebene imitieren wir nämlich nicht nur die Emotionen , die wir bei anderen beobachten, sondern auch ihr Verhalten . Wenn du einem Weitspringer zuschaust, hüpft ein Teil von dir automatisch im Kopf mit. So lernen wir, indem wir bloß beobachten, und üben bereits auf neuronaler Ebene, was wir später vielleicht einmal tatsächlich tun werden. Das macht uns zu einer enorm lernfähigen Spezies und erklärt auch, warum die Unterschiede zwischen uns und den Schimpansen so viel größer sind, als man es aus einer rein biologischen Perspektive erwarten würde.
Wieso? Das kapiere ich nicht …
Wie du weißt, sind die biologischen Unterschiede zwischen Mensch und Schimpanse erstaunlich gering: Schätzungen zufolge ist unser Erbgut zu etwa 98 bis 99 Prozent mit dem der Schimpansen identisch. Dennoch leben Mensch und Schimpanse in völlig unterschiedlichen Welten. Vor 50 000 Jahren war diese Differenz allerdings noch lange nicht so offensichtlich. Zwar waren die Menschen der damaligen Zeit von ihrer biologischen Anlage her gewiss nicht dümmer als wir, aber der biologische Vorteil, den sie gegenüber den Schimpansen besaßen, fiel noch nicht so sehr ins Gewicht. Denn damit sich die besondere Fähigkeit des Menschen zum Imitations-Lernen wirklich entfalten kann, muss es erst einmal genügend kulturelle Informationen geben, die imitiert werden können . Das aber war lange Zeit nicht der Fall: Von den rund 200 000 Jahren, die unsere Art Homo sapiens existiert, verbrachten wir etwa 190 000 Jahre als Jäger und Sammler. Erst in den letzten 10 000 Jahren nahm die kulturelle Evolution Fahrt auf: Mit der Sesshaftwerdung des Menschen, der »neolithischen Revolution«, entstanden nicht nur größere Siedlungen mit komplexeren Sozialstrukturen, sondern auch Zeichensysteme für Sprache und Mathematik, die unser Denken und Empfinden radikal veränderten. Von da an drifteten die Lebenswelten von Menschen und Schimpansen immer weiter auseinander. Der kleine biologische Unterschied hinsichtlich der Kopierfähigkeit hatte letztlich riesige kulturelle Differenzen zur Folge.
Gut. Ich verstehe jetzt etwas besser, warum du meinst, dass der Mensch von Natur aus das Talent besitzt, ein besonders kluges und freundliches Tier zu sein. Aber die Frage ist doch, warum er gerade sein Talent zur Freundlichkeit so häufig vergisst: Wie erklären wir uns all die grausamen Taten, die Menschen in der Vergangenheit begangen haben oder auch heute noch begehen? Warum empfinden manche Täter offensichtlich gar kein Mitleid mit ihren Opfern?
Teilweise lässt sich das dadurch erklären, dass das neuronale Empathievermögen der Täter gestört ist. Eine amerikanische Studie, die siebzehn Einzelstudien mit über 600 Auffälligen auswertete, kam zu dem Ergebnis, dass besonders gewaltbereite Straftäter ausnahmslos Hirnanomalien aufwiesen. Solche Menschen spüren kein Mitleid mit ihren Opfern, da sie ohnehin nicht in der Lage sind, Mitgefühl mit anderen zu entwickeln.
Aber das gilt doch bestimmt nicht für alle, die
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