Leiche in Sicht
hin. Wenn sie nur einige wenige Monate länger gelebt
hätte, hätte das alles ihr gehört. Ob Matthew dann wirklich einverstanden
gewesen wäre, daß sie, wie sie es geplant hatte, auf alles verzichtete? Mr.
Pringle seufzte innerlich. Ein Gutes mochte diese schreckliche Geschichte am
Ende doch haben. Sein Neffe war diesbezüglich keiner Versuchung mehr
ausgesetzt. Allem Anschein nach würde niemand von Elizabeths frühem Tod
profitieren, jedenfalls so weit er informiert war. Auf dem Weg zurück zur
U-Bahn erkundigte sich Mr. Pringle, was aus dem Vermögen des Treuhand-Fonds
würde. «Ich nehme an, der Fond wird aufgelöst werden», sagte Matthew. «Meinst
du, ich hätte dem Vermögensverwalter eben von Liz’ Absicht, das Erbe
wegzugeben, erzählen und ihm auch gleich die Namen der von ihr in Aussicht
genommenen Wohlfahrtseinrichtungen nennen sollen?»
«Dafür bleibt noch genug Zeit», sagte
Mr. Pringle. Als ehemaliger Finanzbeamter kannte er sich da aus. «Es wird
vermutlich Jahre dauern, bis sie die fälligen Steuern errechnet haben, und
vorher wird das Geld sowieso nicht freigegeben», sagte er. Unterdes waren sie
am U-Bahnhof angekommen.
«Und was tun wir als nächstes?»
erkundigte sich Matthew.
«Ich würde sagen, wir warten ab. Die
Polizei wird sich schon mit uns in Verbindung setzen, wenn sie etwas von uns
will.» Als er die Haustür aufschloß, klingelte das Telefon. Doch es war nicht
die Polizei, sondern die Presse. Elizabeths Leiche war in Heathrow
eingetroffen, und die Reporter baten um eine Stellungnahme.
Kapitel 17
Charlotte hatte den Fensterplatz und
starrte hinunter auf den Genfer See. «Em, glaubst du, daß Liz’ Leiche hier an
Bord ist?» Emma sah sie entsetzt an.
«Auf was für gräßliche Ideen du
kommst!»
«Aber möglich wäre es doch... Ein
unheimliches Gefühl, nicht?» sagte Charlotte. Emma überlief ein Schauder.
«Ich möchte nicht darüber sprechen»,
sagte sie und schloß die Augen.
«Es ändert alles», insistierte
Charlotte hartnäckig. «Das mußt du zugeben.» Em tat, als habe sie sie nicht
gehört. «Oder willst du jetzt immer noch deine Show abziehen und die gute
Freundin spielen?» Emma fuhr hoch und starrte Charlotte aus weitgeöffneten
Augen an. «Glaub bloß nicht, daß du mich hättest täuschen können, ich bin nicht
so dumm, wie du denkst, Em», fuhr Charlotte in höhnischem Ton fort. «Nicht,
wenn es um dich geht. Pa läßt sich vielleicht von dir Sand in die Augen
streuen, aber mir konntest du noch nie etwas vormachen.»
«Du bist einfach nur eifersüchtig»,
sagte Emma kühl. «Bei Pa zählen nur Ergebnisse, und ich bin eben diejenige, die
an der Universität Erfolg hatte, nicht du. Und was Elizabeths Tod angeht...
Wenn du glaubst, du brauchtest jetzt nur mit den Fingern zu schnippen, und
schon käme Matthew angerannt... Du tust mir leid, Char!» Doch ihre Worte hatten
Charlotte nicht getroffen, sie lächelte nur hintergründig.
«Gib’s auf, Em. Matthew ist an mir
interessiert, nicht an dir! Und wenn du denkst, er würde jetzt erst einmal zu Hause
sitzen, um diese dumme Pute zu betrauern, dann kennst du ihn eben nicht. Er
braucht eine Frau, und ich werde dafür sorgen, daß er, wenn ihm das klar wird,
weiß, wer für ihn da ist.»
«Ich hätte nie geglaubt, daß du so
gefühllos sein könntest», sagte Emma. In ihrer Stimme lag Tadel.
«Ach, hör doch auf!» fuhr Charlotte
auf. «Du hast wirklich keinen Grund, dich so aufzuspielen. Ich weiß doch, wie
du Pa die ganze Reise über an der Nase herumgeführt hast. Wie wäre es, wenn ich
ihm sagte, daß ihr beide, du und John, es fast jeden Abend miteinander
getrieben habt?» schloß sie triumphierend.
«Vermutlich weiß er das längst», sagte
Emma und gähnte. «Wie ich ihn kenne, war er eher erleichtert. John und ich
waren diskret, und außerdem konnte Pa, solange er bei mir war, sicher sein, daß
mir nichts passieren würde.»
«Ja, zum Glück hat es dann ja Elizabeth
erwischt.»
«Wie kannst du so etwas sagen?»
«Tut mir leid!» Charlotte wußte, daß
sie zu weit gegangen war, und sah ihre Schwester bittend an. «Das habe ich doch
nur so dahingesagt... Ich habe doch nicht wirklich gewünscht, daß ihr etwas
passiert.» Doch Emmas Blick war skeptisch; Charlotte bekam es mit der Angst zu
tun. «Em, bitte... sieh mich nicht so an...»
«Wenn wir erst zu Hause sind, wird die
Polizei jeden von uns noch einmal befragen, Char. Und sie wird sich nicht so
schnell zufriedengeben wie die Beamten in
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