Leiche in Sicht
mir ein... ich habe, als ich Liz zu beruhigen suchte, zwar
oben auf dem Hügel niemanden gesehen, aber gehört. Irgend jemand hat sich dort
oben herumgetrieben. Als Charlotte dann herunterkam und sagte, daß Gill sie
belästigt habe, war ich mir sicher, er sei es gewesen.»
«Es könnte aber auch eine andere Person
gewesen sein», sagte Mr. Pringle nachdenklich.
«Ja... aber wer?»
«Seht euch doch einmal diese Skizze
hier an», sagte Mr. Pringle und zog ein Blatt Papier aus einem Aktenordner.
«Stimmt das, was ich hier gezeichnet habe, mit eurer Erinnerung überein?» Er
hatte mit wenigen, knappen Strichen die Lichtung und den dahinterliegenden
Olivenhain angedeutet. An einigen Stellen befand sich ein Kreuz, das die Stelle
markierte, an der sich ein Reiseteilnehmer zu einem bestimmten Zeitpunkt des
Abends aufgehalten hatte. Matthew sah sich die Skizze sorgfältig an.
«Ja, das ist alles sehr schön
deutlich... genauso habe ich es auch in Erinnerung. Und du Em?»
Sie nickte und deutete auf eine
gestrichelte Linie, die auf ein Kreuz zulief, neben dem in Mr. Pringles
ordentlicher Handschrift der Name Elizabeth stand. «Bin das ich, auf dem Weg zu
ihr?»
«Ja. Und jetzt möchte ich euch bitten,
einen Moment lang zu überlegen. Fehlt hier eurer Meinung nach jemand, der eigentlich
eingezeichnet sein sollte?» Matthew und Emma betrachteten erneut die Skizze.
«Nein.» Beide schüttelten den Kopf.
«Das bestätigt mir, daß ich recht
habe», rief Mr. Pringle triumphierend. «Auf der Zeichnung ist kein Kreuz für
Roge Harper, weil sich niemand daran erinnern konnte, ihn gesehen zu haben. Die
Frage ist also: Wo hat er gesteckt? Freiwillig eine kostenlose Mahlzeit
auszulassen, sieht ihm doch eigentlich gar nicht ähnlich.»
«Mrs. Gill war ebenfalls nicht da»,
bemerkte Emma. «Wenn doch, so habe ich sie jedenfalls nicht gesehen.» Mr.
Pringle runzelte die Stirn.
«Eigentlich hatte ich vor, mich auf die
Männer zu konzentrieren», sagte er, «aber Sie haben völlig recht, meine Liebe,
man sollte auch die Frauen in die Überlegung mit einbeziehen. Man kann ja nie
wissen. Na denn! die Liste wird immer länger statt kürzer. Ich hoffe, du hast
irgendwann Zeit, mir zu helfen, Matthew. Kann es sein, daß Mrs. Gill auf dem
Boot geblieben ist oder daß sie vielleicht beim Essenzubereiten geholfen hat?
Aber das läßt sich ja leicht feststellen... Mrs. Hanson wird mir das sicher
sagen können.»
«Wieso Mrs. Hanson?»
«Die Hansons und die Gills sind
Nachbarn. Beide Familien leben in Hounslow.» Mr. Pringle schwenkte die Liste
mit den Adressen der Reiseteilnehmer, die ihm Matthew besorgt hatte. «Die ist
wirklich Gold wert, mein Junge. Ich habe mich für morgen bei Mrs. Hanson
angesagt, um mich bei ihr nach dem Verbleib der Gills zu erkundigen.» Er
lächelte grimmig. «Denn was hat deine Mutter neulich zu mir gesagt, Matthew? Ich
sei doch pensioniert und hätte ohnehin nicht mehr zu tun, als Däumchen zu
drehen.» Matthew grinste verlegen.
«Vor drei Tagen seid ihr euch ja wohl
auch mächtig in die Haare geraten, wie ich gehört habe», sagte er. «Ich kenne
natürlich nur Mutters Version der Ereignisse.»
«Ja, im nachhinein schäme ich mich
etwas dafür. In unserem Alter sollte man sich doch etwas mehr beherrschen
können. Aber ich glaube, ihr geht jetzt besser. Laßt Charlotte nicht warten.
Wir können auch ein andermal darüber reden, wie du mir helfen kannst, Matthew.
Daß Charlotte etwas essen sollte, ist in diesem Moment wichtiger. Ich denke,
ihr solltet euch überhaupt in Zukunft etwas um sie kümmern.»
Emma ging voran in den Korridor und
nahm ihren Anorak vom Haken. «Wir machen uns beide Sorgen um sie...» Sie zog
den Reißverschluß ihrer Jacke hoch. «Wenn wir ihr bloß — wie soll ich sagen —
wenn wir ihr bloß mehr — vertrauen könnten.»
«Sie ist sehr hübsch, vielleicht ist
sie da etwas verwöhnt worden», sagte Mr. Pringle und merkte im gleichen Augenblick
schon, wie töricht das klang. Emma verzog das Gesicht.
«Ach, wir sind beide verwöhnt worden.
Aber Charlotte ist natürlich eine auffallende Schönheit, der immer alle Welt zu
Füßen gelegen hat, das stimmt schon. Das Problem ist, daß sie Hirngespinste hat.
Was sie uns als Wahrheit auftischt, ist in Wirklichkeit oft nur das, was sie
sich wünscht, daß es wahr sein möge, wenn Sie verstehen, was ich meine. Das
macht das Zusammenleben mit ihr manchmal reichlich anstrengend.»
Als sich die Haustür hinter ihnen
geschlossen hatte, sagte
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