Leiche in Sicht
in den Tod gestürzt hat? Ich hoffe,
du weißt, daß du als Matthews Onkel gewisse Verpflichtungen ihm gegenüber
hast.»
«Ich fühle mich lediglich der Wahrheit
verpflichtet, Enid», erwiderte Mr. Pringle und sah sie ernst an. «Das war schon
immer so und wird sich auch nicht mehr ändern.»
«Und was meinst du nun zu der
Verhandlung?» fragte sie unfreundlich.
«Tja», sagte er und wiegte den Kopf.
«Alles, was gesagt wurde, war durchaus korrekt, aber das Gesamtbild, das sich
hinterher ergab, erschien mir nicht treffend. Ich kann einfach nicht glauben,
daß sie sich über die Klippen gestürzt hat und dadurch, daß Erbrochenes ihre
Speiseröhre blockierte, starb. Der Eindruck, der von ihr in der Verhandlung
vermittelt wurde, war der einer labilen, von Depressionen heimgesuchten jungen
Frau, und das entspricht ganz und gar nicht der Erfahrung, die ich mit ihr
gemacht hatte.»
«Aber sie hatte auch eine ganze Menge
getrunken», gab Emma zu bedenken.
«Und Sie meinen, das hätte gleich einen
ganz anderen Menschen aus ihr gemacht? Nein, nein», sagte Mr. Pringle und
schüttelte den Kopf. «Und wir wissen doch auch von Levkas, wie Alkohol auf sie
wirkte: Er machte sie eher aggressiv.» Emma nickte und senkte den Blick. «Tut
mir leid, das hatte ich ganz vergessen.»
«Und was haben Sie jetzt vor, Mr.
Pringle?» erkundigte sich Mr. Fairchild. «Wollen Sie mit Ihren Ermittlungen
fortfahren, um die ganze Geschichte vielleicht doch noch aufzuklären?»
«Aber das ist doch genau das, was er
sich wünscht», fuhr Enid scharf dazwischen. «Dann könnte er sich aufspielen,
daß er mehr weiß als all die Experten...»
«Mutter!»
«Ich werde vor allem versuchen
herauszufinden», sagte Mr. Pringle, ohne seine Schwester auch nur mit einem
Blick zu würdigen, «wer sich an jenem Abend in dem Olivenhain aufgehalten hat
und was er oder sie dort oben gesehen oder gehört hat.»
«Das heißt, daß Sie immer noch glauben,
daß Gill etwas mit Liz’ Tod zu tun haben könnte?»
«Er war jedenfalls dort!» rief
Charlotte heftig. «Liz habe ich nicht gesehen, aber Gill dafür um so deutlicher!»
«Betrachten wir einmal die Fakten»,
sagte Mr. Pringle. Sofort trat Ruhe ein. «Der Pathologe konnte nicht genau
sagen, wann sie gestorben ist; vielleicht war sie ja spät in der Nacht noch am
Leben. Wir alle haben uns im Laufe des Abends mal mehr im Zentrum, mal mehr am
Rande der Lichtung aufgehalten. Keiner von uns kann behaupten, daß er, nachdem
Elizabeth verschwunden war, irgendeinen der anderen die ganze Zeit über im Auge
gehabt hätte.» Matthew und die Fairchilds nickten zustimmend.
«Die Polizei wird natürlich ihre
Ermittlungen jetzt weiterführen.» Plötzlich spürte er, wie müde er war. Die
Aussicht, jede Menge Leute zu befragen, ob sie irgend etwas beobachtet hätten,
bedrückte ihn. «Und ich werde meine Untersuchungen ebenfalls fortsetzen. Nicht,
weil ich damit beauftragt bin», er starrte Enid durchdringend an, «sondern weil
mir persönlich daran liegt, daß das Bild von Elizabeth als einer labilen jungen
Frau korrigiert wird. Sie war so ein liebenswerter Mensch...» Zu seinem
Entsetzen stellte er fest, daß er den Tränen nahe war. «Irgend etwas
Schreckliches muß dort oben vorgefallen sein. Es hat sie in Panik versetzt und
vielleicht den tödlichen Erstickungsanfall ausgelöst. Aber sie war keine
Selbstmörderin! Und die Tatsache, daß sie, als sie über die Klippen stürzte,
keinen Versuch machte, sich zu retten, ließe sich auch dadurch erklären, daß
sie schon tot war, als sie fiel. So. Ich werde übrigens», wandte er sich an
seinen Neffen, «deine Hilfe brauchen. Es gibt eine Menge Arbeit. Könntest du
mich, sobald du heute abend frei bist, anrufen?»
Doch Matthew kam vorbei und brachte
Emma mit. «Wir sind auf dem Weg, Charlotte abzuholen», erklärte er. «Es ist
nicht gut, daß sie sich die ganze Zeit bei ihrer Freundin versteckt.»
«Wir dachten, wir laden sie ein, mit
uns zusammen indisch essen zu gehen», sagte Emma. «Wenn sie in der Wohnung von
Susie ist, hat sie meistens keine Lust, zu kochen.»
«Das ist eine gute Idee.» Mr. Pringle
nahm ihr den Anorak ab und hängte ihn an die Garderobe. Emma beugte den Kopf
und schüttelte sich die Regentropfen aus den blonden Haaren.
«Lange können wir nicht bleiben», sagte
sie entschuldigend, «aber wir wollten Ihnen etwas sagen. Nachdem Sie uns heute
morgen verlassen hatten, haben wir noch einmal über das nachgedacht, was Sie
sagten... Dabei fiel
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