Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Leichenblässe

Titel: Leichenblässe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
Vom Netzwerk:
Abkommen. Warum lässt du das nicht diesen TB I-Typen entscheiden? Wenn er deiner Meinung ist, bleibst du in deinem Hotelzimmer und siehst fern. Wenn nicht, kommst du heute Abend
     zum Essen. Okay?»
    Ich zögerte. «Okay. Ich werde ihn anrufen. Mal sehen, was er sagt.»
    Ich konnte sie beinahe durch die Telefonleitung lächeln hören. «Die Mühe kann ich dir ersparen. Paul hat bereits mit ihm gesprochen.
     Er sagt, er hat keine Einwände.»
    Sie hielt einen Moment inne, damit mir klar werden konnte, dass ich in die Falle getappt war.
    «Ach, und sag doch Paul bitte, dass er noch Orangensaft besorgen soll, ja? Wir haben keinen mehr», fügte sie munter hinzu.
    Ich musste noch immer lächeln, als ich das Telefon wegsteckte.
     
    Stadtauswärts herrschte starker Verkehr, doch er wurde weniger, je weiter wir uns von Knoxville entfernten. Ich folgte Paul
     und versuchte, seinen Wagen nicht aus den Augen zu verlieren. Ich hatte das Radio eingeschaltet und ließ mich von der Dudelmusik
     berieseln. Aber ich war immer noch so nervös, dass ich mich alle paar Minuten umdrehte, um zu schauen, ob ich verfolgt wurde.
    |318| Bevor wir losgefahren waren, hatte ich Gardner angerufen. Obwohl ich Sam vertraute, wollte ich persönlich mit ihm sprechen.
    «Vorausgesetzt, Sie nehmen Ihren Wagen und laufen dort draußen nicht allein umher, habe ich kein Problem damit», hatte er
     gesagt.
    «Sie glauben also nicht, dass ich die beiden in Gefahr bringe?»
    Er seufzte. Seine Stimme klang gereizt. «Dr.   Hunter, wir wollen York im Glauben lassen, dass Sie sich normal verhalten. Das heißt nicht, dass Sie sich jeden Abend im Hotelzimmer
     einschließen.»
    «Es wird mir aber trotzdem jemand folgen, oder?»
    «Lassen Sie das unsere Sorge sein. Wie gesagt, im Moment müssen Sie nur ganz normal weitermachen.»
    Normal
. Die Situation war alles andere als normal. Trotz Gardners Beruhigung hatte ich das Leichenschauhaus lieber durch die Hintertür
     als durch den Haupteingang verlassen. Dann war ich um das Klinikgelände herumgefahren und hatte Paul an einer anderen Ausfahrt
     getroffen als derjenigen, die ich sonst benutzte. Das Gefühl, dass etwas nicht stimmte, konnte ich aber auch auf diese Weise
     nicht abschütteln. Als wir vom Krankenhaus wegfuhren, schaute ich wiederholt in den Spiegel. Niemand bog hinter mir in die
     Straße ein. Jedenfalls konnte ich weder das TBI noch irgendeinen anderen verdächtigen Wagen sehen.
    Doch erst als ich mich in den Feierabendverkehr eingefädelt hatte und ein Teil der Blechlawine wurde, begann ich zu akzeptieren,
     dass ich nicht verfolgt wurde.
    Am Stadtrand von Knoxville hielt Paul an einem Supermarkt an, um den Orangensaft für Sam zu kaufen. Er schlug vor, dass ich
     in meinem Wagen warten sollte, aber damit war |319| ich nicht einverstanden. Also ging ich mit ihm hinein und kaufte eine Flasche Napa Valley Syrah, der, wie ich hoffte, zu Sams
     Essen passen würde. Die Luft roch nach Benzin und Abgasen, als wir zurück zu unseren Wagen gingen, doch es war ein herrlicher
     Abend. Die Sonne begann gerade unterzugehen und tauchte die Skyline in ein goldenes Licht, während sich die dichtbewaldeten
     Hänge der Smoky Mountains in der Dämmerung violett verfärbt hatten.
    Als Paul plötzlich fluchte und sich auf den Nacken schlug, zuckte ich zusammen.
    «Verfluchte Käfer», brummte er.
    Er und Sam wohnten in einer neuen Siedlung zwischen Knoxville und Rockford, die südlich der Stadt an einem See lag. Da sie
     teilweise noch im Bau war, wichen die Erdhaufen und Holzstapel erst allmählich gepflegten Rasen und neugepflanzten Blumenbeeten.
     Ihr Haus befand sich an einer Nebenstraße, die sich am See entlangschlängelte und an großzügigen Grundstücken vorbeiführte.
     Obwohl die Siedlung noch einen unfertigen Eindruck machte, konnte man sehen, dass sie mit einer Menge Bäumen, Grünflächen
     und Wasser geplant worden war. Ein schöner Ort, um eine Familie zu gründen.
    Paul bog auf eine Auffahrt und hielt hinter Sams verbeultem Toyota an. Ich parkte am Straßenrand, stieg aus und ging zu ihm.
    «Wir richten noch das Kinderzimmer ein, also achte nicht auf das Chaos», sagte er, als wir auf das Haus zugingen.
    Zum ersten Mal war ich froh, dass ich gekommen war, und fühlte mich so beschwingt wie seit Tagen nicht. Das Haus der beiden
     lag etwas zurückgesetzt und hatte deshalb einen größeren Vorgarten. In einem seltenen Zusammenspiel von gesundem Menschenverstand
     und Naturschutz hatten ihn die |320|

Weitere Kostenlose Bücher