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Leichenblässe

Titel: Leichenblässe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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Das eine war ein riesiger schwarzer Pick-up mit dunkel getönten Scheiben.
    Das andere war ein blauer Chrysler-Geländewagen.
    Die Erkenntnis, wie York uns an der Nase herumgeführt hatte, traf mich wie ein Schlag. Als er den Unfall gehabt hatte, war
     er schon fast hier gewesen. Doch um zu verhindern, dass die unvermeidliche Suchaktion Cedar Heights zu nahe kam, hatte er
     einen meilenweiten Umweg gemacht, bevor er den Krankenwagen abgestellt hatte.
    Dann hatte er einen Wagen gestohlen und war umgekehrt.
    Der Geländewagen stand am Fuß einer Steintreppe, die auf eine überdachte Veranda führte. Oben befand sich eine große Doppeltür,
     die einmal herrschaftlich gewesen sein musste, aber nun genauso heruntergekommen war wie der Rest.
    Ein Flügel stand offen.
    Als wir die Stufen hinaufgingen, bückte sich Paul und hob eine Holzstrebe auf, die sich von der Verandabrüstung gelöst hatte.
     Durch die geöffnete Tür konnte ich ein großes, dunkles Foyer und die unteren Stufen einer breiten Treppenflucht sehen. Paul
     schob die Tür mit seinem Stock ganz auf.
    Da klingelte mein Handy.
    Es klang erschreckend laut. Ich zog es aus der Tasche und erkannte Gardners Nummer auf dem Display.
Mein Gott,
nicht jetzt!
Meine Hände zitterten, als ich ranging, doch |366| es dauerte quälend lange, ehe der durchdringende Ton verstummte.
    In der Leitung knisterte es, und Gardner war kaum zu verstehen.
«Hunter? Wo zum Teufel stecken Sie?»
    Aber zum Antworten war keine Zeit. Es war für nichts mehr Zeit, denn in dem Moment ertönte tief aus dem Inneren des Hauses
     ein Schrei. Er brach sofort wieder ab, aber Paul verlor die Beherrschung.
    «SAM! HALTE AUS, ICH KOMME!»,
brüllte er und stürzte durch die Tür.
    O Gott.
Doch jetzt hatte ich keine Wahl mehr. Ich ignorierte Gardners wütende Fragen und folgte Paul ins Sanatorium.
     
    Du neigst den Kopf und lauschst. Sie werden bald hier sein,
dir bleiben nur wenige Minuten. Die Aufregung ist noch da,
aber mittlerweile hast du den Schock so gut wie überwunden
und kannst wieder funktionieren. Als du sie an den Verandatüren
gehört hast, warst du wie gelähmt. Du dachtest, indem
du den Krankenwagen meilenweit entfernt abgestellt hast,
hättest du sie abgeschüttelt und könntest ein wenig zur Ruhe
kommen.
    Du hättest dich nicht darauf verlassen dürfen.
    Dein erster Impuls war, davonzulaufen, aber das war unmöglich
. Du hast dich gezwungen, Ruhe zu bewahren,
nachzudenken
. Und nach und nach hatte sich die Panik so weit
gelegt, dass du wusstest, was du tun musst. Du bist besser als
sie, vergiss das nicht. Besser als alle.
    Du kannst noch immer gewinnen.
    Aber du musst dich beeilen. Die Augen der gefesselten Gestalt
starren dich groß und verängstigt an, als du dich vergewisserst
, dass der Knebel nicht mehr herausrutschen kann.
|367|
Du willst keine weiteren Schreie, die ihnen verraten, wo du
bist. Auf jeden Fall noch nicht. Als du bereit bist, kommt es
dir plötzlich wie eine Vergeudung vor. So war es nicht geplant
, gerade jetzt, wo du deinem Ziel so nahe gekommen
bist   … Aber zum Bedauern ist keine Zeit. Es ist für nichts
mehr Zeit.
    Nur für das, was getan werden muss.
    Als es vorbei ist, betrachtest du dein Werk mit Abscheu.
Die Augen starren dich nicht mehr an, sie starren gar nichts
mehr an. Dein Atem wird hektischer, als du hörst, dass die
Eindringlinge näher kommen. Sollen sie doch. Du bist fast
fertig. Nur noch eine Sache, dann ist deine Überraschung
perfekt.
    Du wischst dir den Schweiß vom Gesicht und greifst nach
dem Messer.

[ Navigation ]
    |368| KAPITEL 23
    Paul lief durch das Foyer. «SAM?
SAM!
»
    Sein Ruf hallte von den nackten Wänden wider. Das Innere des Sanatoriums war dunkel und leer, es gab weder Lampen noch Möbel.
     Nur durch Risse und Spalten in den verschlossenen Fensterläden fielen vereinzelte Lichtstrahlen herein. Ich nahm die Leere,
     den Verfall und den Staub wahr, als ich mit dem Handy am Ohr hinter Paul herstürzte.
    «Reden Sie mit mir, Hunter! Was ist los?»
, rief Gardner verärgert. Aber die Verbindung war so schlecht, dass ich nur die Hälfte verstand.
    «Wir haben York gefunden», sagte ich keuchend. «Er ist in einem alten Sanatorium am Fuß der Berge, ungefähr fünfzehn, zwanzig
     Meilen von der Stelle entfernt, wo er den Krankenwagen abgestellt hat. Hier ist   …» Aber mir fehlten die Worte für den Albtraum im Garten. Ich begann ihm zu beschreiben, wo wir den Wagen stehengelassen hatten,
     bis mich sein Schweigen innehalten

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