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Leichenblässe

Titel: Leichenblässe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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es um den Schutz der Jugend vor den Tatsachen des Lebens geht.»
    Tom ignorierte den Seitenhieb. «Summer ist eine meiner Studentinnen. Sie hilft uns.»
    «Natürlich.» Irvings Lächeln wurde noch breiter, als er die Piercings in Summers Gesicht entdeckte. «Wissen Sie was, Körperschmuck
     hat mich schon immer fasziniert. Ich habe selbst mal über ein Tattoo nachgedacht, doch so etwas wird in meiner Branche nicht
     gern gesehen. Aber ich liebe den heidnischen Aspekt an Piercings, diese ganze Idee des modernen Primitiven. Sehr erfrischend,
     diese Art von Individualismus in den heutigen Zeiten.»
    Summers Gesicht war leuchtend rot geworden, aber vor Freude und nicht vor Verlegenheit. «Danke.»
    «Aber Sie müssen mir doch nicht danken.» Irvings Charme lief auf vollen Touren. «Ich habe ein oder zwei Lehrbücher über primitiven
     Körperschmuck, die Sie interessieren könnten. Vielleicht   …»
    «Wenn das alles wäre, Professor Irving, wir müssen dann hier anfangen», unterbrach Tom ihn.
    |116| Für einen Augenblick flackerte Irvings Lächeln verärgert. «Natürlich. War nett, Sie kennenzulernen, Miss   …»
    «Summer.»
    Irving zeigte erneut seine Zähne. «Meine liebste Jahreszeit.»
    Er streifte seine Handschuhe ab und schaute sich um, wo er sie ablegen konnte. Da er keine passende Stelle fand, hielt er
     sie Kyle hin. Der junge Assistent machte ein erschrockenes Gesicht, nahm sie ihm aber unterwürfig ab.
    Tom räusperte sich. «Okay, vielleicht können wir jetzt weitermachen.»
    Während ich weitere Aufnahmen von den unbedeckten Überresten machte, ging er hinaus, um Gardner anzurufen. Ein Spurensicherungsteam
     musste den Sarg untersuchen, aber das würde normalerweise erst geschehen, nachdem wir die Leiche entnommen hatten. Die Tatsache,
     dass sie nackt war, würde daran nichts ändern, aber ich konnte verstehen, dass sich Tom erst mit dem TB I-Agenten absprechen wollte.
    Kyle blieb in der Radiologie, obwohl es für ihn eigentlich nichts mehr zu tun gab. Doch als ich sah, wie er Summer anschaute,
     brachte ich es nicht übers Herz, ihm zu sagen, dass er nicht gebraucht wurde. Seine Miene erinnerte mich an einen getretenen
     Welpen.
    Tom war nicht lange weg. Als er zurückkam, wirkte er energisch. «Dan sagt, wir sollen anfangen. Dann holen wir die Leiche
     raus.»
    Ich wollte zu dem Container gehen, doch Tom hielt mich zurück. «Kyle, würdest du bitte Summer helfen?»
    «Ich?» Das Gesicht des Assistenten wurde dunkelrot. Er schaute kurz zu ihr hinüber. «Ja, äh, klar. Kein Problem.»
    Als Kyle neben Summer vor den Aluminiumcontainer trat, zwinkerte Tom mir zu.
    |117| «Wo sind Pfeil und Bogen?», murmelte ich, als die beiden sich daranmachten, die Leiche herauszuheben.
    «Manchmal muss man solchen Dingen auf die Sprünge helfen.» Sein Lächeln verblasste. «Dan liegt viel daran, dass es schnell
     vorangeht. Normalerweise hätte ich erst die Untersuchung der Leiche aus der Hütte zu Ende gebracht, aber so, wie die Dinge
     stehen   …»
    Plötzlich ertönte ein Aufschrei. Als wir hinüberschauten, sahen wir Kyle neben dem Sarg stehen und auf seine behandschuhten
     Hände starren.
    «Was ist los?», fragte Tom und ging zu ihm.
    «Irgendwas hat mich gestochen. Als ich die Leiche angefasst habe.»
    «Ist es durch die Haut gegangen?»
    «Weiß ich nicht   …»
    «Lassen Sie mich mal sehen», sagte ich.
    Er trug strapazierfähige Gummihandschuhe, die fast bis zum Ellbogen reichten. Obwohl sie mit den schleimigen Flüssigkeiten
     der verwesten Leiche überzogen waren, konnte man das Loch auf der Handinnenfläche deutlich erkennen.
    «Alles in Ordnung, wirklich   …», sagte Kyle.
    Ich achtete nicht darauf und zog ihm den dicken Handschuh aus. Von dem Gummi war Kyles Hand verschrumpelt und blass. In der
     Mitte der Innenfläche war ein dunkler Blutfleck.
    «Halten Sie sie unter Wasser. Gibt es einen Erste-Hilfe-Koffer?», fragte ich.
    «Im Autopsiesaal müsste einer sein. Summer, können Sie ihn schnell holen?», sagte Tom.
    Kyle ließ sich von mir zum Waschbecken führen. Ich hielt seine Hand unter das kalte Wasser und wusch das Blut ab. |118| Die Wunde war nur stecknadelkopfgroß. Aber dadurch war sie nicht weniger gefährlich.
    «Ist es schlimm?», fragte er, als Summer mit dem Erste-Hilfe-Koffer zurückkam.
    «Wenn Sie alle Impfungen haben machen lassen, müssen Sie sich keine Sorgen machen», sagte ich so zuversichtlich wie möglich.
     «Sie haben sich doch impfen lassen   …?»
    Er nickte

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