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Leichenblässe

Titel: Leichenblässe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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kaum anfassen, ohne sich zu stechen»,
     fuhr Tom fort. «Das ist alles mein Fehler. Ich hätte niemand anders an die Leiche heranlassen dürfen.»
    «Du musst dir keine Vorwürfe machen», sagte ich. «Du konntest unmöglich wissen, was passieren wird.»
    Gardner sah mich an, als würde ihm meine Anwesenheit immer noch nicht gefallen, aber er behielt seine Gedanken für sich. Tom
     hatte ihm bereits deutlich zu verstehen gegeben, dass ich seiner Meinung nach genauso viel Recht hatte, dort zu sein, wie
     er, und darauf hingewiesen, dass es mich hätte treffen können.
    Wenn Kyle Tom nicht leidgetan hätte, hätte ich die Leiche aus dem Sarg gehoben und wäre verletzt worden.
    «Es gibt nur einen Menschen, dem man Vorwürfe machen kann, und das ist derjenige, der das getan hat», sagte Gardner. «Zum
     Glück wurde sonst niemand verletzt.»
    «Das erzähl mal Kyle.» Tom starrte auf die Probengläser, |125| seine Augen hatten vor Müdigkeit dunkle Ringe. «Hast du schon eine Ahnung, wer im Sarg lag?»
    Gardners Blick schnellte zu der Leiche auf dem Aluminiumtisch. Wir hatten den größten Teil der Verwesungsflüssigkeiten gründlich
     abgespült, bevor Tom die Nadeln entfernt hatte. Der Gestank war nicht mehr so schlimm wie am Anfang, als der Sarg geöffnet
     worden war, aber er war noch da.
    «Wir arbeiten daran.»
    «Irgendjemand vom Bestattungsunternehmen muss etwas wissen!», erwiderte Tom. «Was hat York dazu zu sagen?»
    «Wir vernehmen ihn noch.»
    «Ihr
vernehmt
ihn? Mein Gott, Dan, mal abgesehen davon, dass die falsche Leiche im Grab lag, hat jemand dreizehn Spritzennadeln reingesteckt,
     während sie in Steeple Hill war! Wie zum Teufel konnte das passieren, ohne dass York davon wusste?»
    Das Gesicht des TB I-Agenten war starr geworden. «Ich weiß es nicht, Tom. Deswegen vernehmen wir ihn ja.»
    Tom holte tief Luft. «Entschuldige. Es war ein langer Tag.»
    «Vergiss es.» Gardner schien seine frühere Zurückhaltung zu bereuen. Er lehnte sich gegen die Arbeitsplatte und rieb sich
     den Nacken. Die Spannung im Autopsiesaal nahm ein wenig ab. «York behauptet, vor ungefähr acht Monaten einen gewissen Dwight
     Chambers angestellt zu haben. Laut seiner Aussage war der Mann ein Geschenk des Himmels, denn er hat hart gearbeitet, schnell
     gelernt und bereitwillig Überstunden gemacht. Dann ist er eines Tages nicht mehr zur Arbeit erschienen, und York sagt, er
     hätte ihn seitdem nie mehr gesehen. Er beteuert, dass Chambers für die Beerdigung von Willis Dexter verantwortlich gewesen
     sei, dass er die Leiche zurechtgemacht und den Sarg verschlossen habe.»
    «Und du glaubst ihm?»
    |126| Gardner lächelte schwach. «Ich glaube niemandem, das weißt du. York hat Angst, aber nicht wegen der Morde, glaube ich. Steeple
     Hill ist ein Saustall. Deswegen wollte er uns auch unbedingt helfen. Er hatte gehofft, dass wir schnell wieder verschwinden,
     wenn er nett zu uns ist. So wie es aussieht, kämpft er schon seit Jahren darum, die Firma am Laufen zu halten. Er spart an
     allen Ecken und Enden und stellt Gelegenheitsarbeiter ein, um die Kosten niedrig zu halten. Keine Steuern, keine Krankenversicherung,
     keine Fragen. Und deshalb gibt es leider auch keine Belege dafür, wer dort gearbeitet hat.»
    «Es gibt also keinen Beweis dafür, dass es diesen Dwight Chambers wirklich gegeben hat?» Erst als ich schon gesprochen hatte,
     fiel mir ein, dass ich nur geduldet war. Gardner machte ein Gesicht, als wollte er die Antwort verweigern, aber das wollte
     Tom nicht durchgehen lassen.
    «Die Frage ist berechtigt, Dan.»
    Gardner seufzte. «Die Angestellten dieses Bestattungsunternehmens wechseln so häufig, dass Chambers nur einer von vielen gewesen
     ist. Es war nicht leicht, jemanden zu finden, der lange genug dort gearbeitet hat, um sich an ihn zu erinnern, aber wir haben
     zwei Leute aufgespürt, die glauben, sie könnten es. Die Beschreibung, die sie gegeben haben, ist ziemlich ungenau, passt aber
     mit der zusammen, die wir von York bekommen haben. Weiß, dunkles Haar, irgendwo zwischen fünfundzwanzig und vierzig.»
    «Trifft das auf Willis Dexter zu?», fragte ich.
    «Das trifft auf die Hälfte der Männer in Tennessee zu.» Abwesend schob Gardner eine Schachtel mit Objektträgern umher, bis
     sie parallel zur Kante der Arbeitsplatte ausgerichtet war. Dann ertappte er sich dabei, hielt inne und verschränkte die Arme.
     «Aber im Moment gehen wir der Hypothese nach, |127| dass Dexter und Chambers ein und dieselbe

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