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Leichendieb

Leichendieb

Titel: Leichendieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrícia Melo
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Röntgenaufnahme. Darauf war ein roter Aufkleber in Form eines Pfeils geheftet, der auf einen winzigen Punkt des Bildes zeigte. Auf dem beigefügten Blatt Papier stand in Maschinenschrift: Ultraschalluntersuchung. Fruchtblase mit 9 mm großem Fötus. Der Pfeil zeigt auf das durchblutete Herz.
    Das war alles. Der Poststempel stammte aus Rio de Janeiro. Dann war Rita also dorthin gezogen?
    Ich stand da, starr, atemlos, und starrte auf das schwarze Blatt. Den Punkt. Rio de Janeiro. Ich verbrannte alles und ging hinunter, um mit Serafina zu sprechen. Ich bat sie, mir niemals etwas im Beisein von Sulamita zu übergeben, versprochen?
    Versprochen, sagte sie.
    Das ist sehr wichtig, erklärte ich. Hast du verstanden?
    Ja, wiederholte sie.
    Ich setzte mich ins Auto und dachte über das nach, was ich gerade gesehen hatte. Es war nur ein Punkt, aber es hatte bereits ein Herz und Blut.
    Der Bettler schlief auf einer dampfenden Steinplatte, die Sonne schien ihm ins Gesicht. Sonst war niemand dort zu sehen. Nur Hunde und Müll.
    Wir gingen die stinkenden Wege des Friedhofs entlang, Sulamita trug den Feldblumenstrauß, den wir unterwegs gekauft hatten. Wir besuchen einfach das Grab meiner Großmutter, sagte sie.
    Wir gingen Hand in Hand, ich schwitzte stark und schaute mich ständig nach hinten um. Eine Sonne zum Umkommen.
    Falls sie uns folgen, sagte ich, werden sie uns kriegen.
    Niemand beschattet uns, antwortete Sulamita.
    Ich vertraue dir, sagte ich und schaute mich noch einmal um.
    Sulamita blieb vor einem verwüsteten Grab stehen, von dem intensiver Uringeruch aufstieg.
    Dein Benehmen hilft mir kein bisschen, sagte sie. Kannst du dich nicht beherrschen? Du machst mich noch nervöser, als ich eh schon bin.
    Es war ein klarer, wolkenloser Tag, und ich fühlte mich außerstande, bei der Sonne weiterzulaufen.
    Hast du Angst?, fragte sie.
    Was wir tun, ist furchtbar, antwortete ich.
    Wir werden niemanden umbringen, sagte sie. Denk an deine Mutter. An Dona Lu. Du hast selbst gesagt, dass Dona Lu sich besser fühlen wird, wenn alles vorbei ist.
    Wir befanden uns an einem Punkt, an dem wir langsam Geld ausgeben mussten. In dieser Woche hatte ich ihr angeboten, meinen Pick-up zu verkaufen. Kommt gar nicht infrage, hatte Sulamita gesagt. Wir dürfen nichts tun, was Aufmerksamkeit erregen könnte, nichts verkaufen, kaufen, ausgeben, nicht streiten, uns nicht trennen, nichts. Weder jetzt noch hinterher, wenn alles vorbei ist. Du wirst noch eine ganze Weile im Hause Beraba weiterarbeiten müssen. Als wenn nichts geschehen wäre. Weißt du, wann Verbrecher scheitern? Wir sind keine Mörder, hatte ich erwidert. Nein, natürlich nicht, hatte sie mir beigepflichtet, aber wir begehen ein Verbrechen. Und es gibt nur einen Rat für Leute, die tun, was wir tun: die Routine beibehalten. Wenn man von der Routine abweicht, ist das für uns von der Polizei der Anknüpfungspunkt.
    Ich denke nur an dein Geld, sagte ich. An das Geld, das du ausgeben wirst. Überleg es dir gut. Wenn wir es lassen wollen, dann jetzt, sagte ich.
    Ich will nichts lassen, antwortete sie. Ich habe Freunde, die trinken was, ehe sie zur Arbeit gehen, du könntest auch etwas trinken. Das würde dich ruhiger machen. Jetzt lass uns gehen, sagte sie und zog mich an der Hand. Er wartet auf uns.
    Der Mann hieß Gilmar. Seine sonnengegerbte Gestalt und seine erdverschmierte Kleidung entweihten in gewisser Weise den strahlenden Tag. In der einen Hand hielt er den Spaten und in der anderen den Hut.
    Wir standen in der Mitte des Friedhofs, Schmeißfliegen surrten um uns herum. Unterwegs hatte Sulamita mir erzählt, dass auf dem Friedhof Vandalismus herrschte. Die Bettler nutzen die Grabstätten zum Verrichten ihrer Notdurft, hatte sie gesagt.Die Verwaltung hat die Erlaubnis, Gräber zu öffnen, die älter als fünf Jahre sind, aber die Diebe und Penner machen sie vorher auf und nehmen heraus, was sie wollen.
    Nun sprach sie mit Gilmar, und ich blieb ein wenig abseits, als wäre ich auf diese Weise nicht Teil des Handels.
    Er liegt schon seit fünf Monaten dort, erklärte Gilmar.
    Das macht nichts, erwiderte Sulamita. Hauptsache, es ist ein Mann.
    Ja, erwiderte er. Ich habe ihn selbst begraben.
    Wie groß ist er?
    Eins achtzig, genau wie Sie möchten.
    Und wie machen wir es?, fragte Sulamita.
    Ich hole ihn noch heute heraus, und Sie kommen in der Nacht vorbei. Ich werde am Tor warten.
    Gibt es keinen Wachdienst?, fragte sie.
    Gilmar lachte.
    Während die beiden sich über die Bezahlung

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