Leichenfresser - Thriller
gearbeitet und konnte es kaum erwarten, sie ihnen zu präsentieren. Timmy wollte sie unbedingt sehen. Jedenfalls besaß Doug wesentlich mehr Talent fürs Zeichnen als Timmy, dafür konnte Timmy schreiben, und bei Comics brauchte man Autoren, die den Künstlern vorgaben, was sie zeichnen sollten. Vielleicht würde er als Erwachsener einmal so berühmt wie Steve Gerber, J. M. DeMatteis oder sogar Stan Lee werden.
Mit zwölf drehte sich Timmys gesamte Welt ziemlich ausschließlich um Comics. Die ersten beiden hatte ihm sein Vater gekauft, als Timmy sechs Jahre alt war – eine Ausgabe von Der unglaubliche Hulk, in der es der grüne Koloss mit einer Gruppe von Halunken namens U-Foes zu tun bekam – davor hatte Timmy den Hulk nur aus der Fernsehserie am Freitagabend gekannt und darin konnte der Hulk nicht sprechen –, und eine Ausgabe von Star Wars , in der ein bewaffnetes menschengroßes, sprechendes Kaninchen namens Jax mitspielte, das Han Solo und Chewbacca half, einen Kopfgeldjäger abzuwehren.
Nachdem er diese Comics gelesen hatte, war er süchtig danach geworden. Und wie beim Hobby jedes anderen Jungen in seinem Alter artete es schon bald zu einer Besessenheit aus.
Jede Woche radelte er zum Zeitungskiosk und deckte seinen Bedarf. Seine Auswahl schwankte, aber zu seinen Lieblingen zählten Transformers, Der unglaubliche Hulk, Sgt. Rock, Marvel Two-In-One, The Amazing Spider-Man, Moon Knight, The Defenders und Captain America . Seine Käufe ergänzte er um Postbestellungen bei einer Firma namens Bud Plant. Er bevorzugte Independentcomics wie The First Kingdom und Elfquest und er wünschte, ihm fiele eine Möglichkeit ein, an das nicht jugendfreie Zeug wie Omaha the Cat Dancer und Cherry Poptart zu gelangen, ohne dass seine Mutter davon erfuhr. Neben den monatlichen Neuerscheinungen kaufte er jede alte Ausgabe, die er finden konnte. Manchmal sah er hinten in Comicheften Inserate für Comicläden, aber das nächstgelegene Geschäft war Geppi’s Comic World in Baltimore, und dort war er erst zweimal gewesen – trotzdem hatten die Besuche gereicht, um ihm den Eindruck zu vermitteln, der Besitzer, Steve Geppi, sei ein unter Menschen wandelnder Gott. Der zweitnächste Laden befand sich in New York City, vier Stunden entfernt.
Daher stöberte Timmy stattdessen gern bei Garagenverkäufen und auf dem Flohmarkt in Colonial Valley nach alten Ausgaben. Letzteren besuchte er an Sonntagen mit dem Fahrrad und erstand alte Comics für 50 Cent das Stück. Die Frau, die den Flohmarkt betrieb, hatte zu Hause rund 5000 Comichefte aus den 1950ern bis Mitte der 1970er. Laut einem verbreiteten Gerücht hatten sie ihrem Sohn gehört, der in Vietnam gefallen war. Timmy wusste nicht viel über Vietnam, nur, dass sowohl sein als auch Barrys Vater dort gekämpft hatten. Timmys Dad war bei der Luftwaffe gewesen, Clark Smeltzer hatte auf einem Flussschiff gedient. Timmy bedauerte, dass der Sohn der Frau gestorben war, wer er auch gewesen sein mochte. Timmy glaubte fest daran, dass er es gutgeheißen hätte, wenn seine Comicsammlung nun Kindern Freude bereitete, wie er selbst eines gewesen war. Jeden Sonntag brachte die Frau einen neuen Karton mit. Alle Kinder aus der Gegend liebten sie, alle Eltern – die von ihren Kindern um Geld angebettelt wurden – hassten sie.
Vergangene Weihnachten hatte ihm sein Großvater eine Ausgabe des Overstreet-Preiskatalogs für Comics geschenkt. Die Erkenntnis, welchen Wert einige seiner Comics besaßen, hatte Timmys Besessenheit nur zusätzlich geschürt.
Natürlich hatte Timmy mittlerweile eine ziemlich beachtliche Comicsammlung angehäuft. Sein Vater murrte oft, dass er sie loswerden sollte, dass die Hefte zu viel Platz wegnahmen und dass sich ein Junge in seinem Alter lieber für Sport interessieren sollte, als »komische Heftchen« zu lesen, wie Randy Graco die Comics beharrlich bezeichnete. Allerdings reizte es Timmy nicht, Sport zu treiben. Jeder konnte einen Football oder Baseball werfen, aber sich eine Geschichte darüber auszudenken, wie der Teufel die Erde übernahm, was J. M. DeMatteis in The Defenders Nummer 100 getan hatte – dafür brauchte man echtes Talent.
Doug, der neben ihm fuhr, keuchte außer Atem. Die Speichen seiner Räder blitzten im Sonnenlicht.
»Du musst mit diesen Schokoriegeln aufhören«, zog Timmy ihn auf.
»Leck mich.«
»Deine Calvin Kleins kleben richtig an deinen Oberschenkeln. Das ist widerlich.«
»Wenigstens hab ich Designerjeans. Du trägst noch die alte
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