Leichenfresser - Thriller
behandelte sie Timmy, als wäre er ein kleines Kind? Als Nächstes würde sie ihm noch sagen: »Weißt du was? Wie sich rausgestellt hat, gibt es den Weihnachtsmann doch.« Natürlich würde sie das nicht tun, weil es nicht stimmte. Den Weihnachtsmann gab es nicht wirklich, Sudaim Besten war in Wirklichkeit zu seinem Besten und ...
Opa würde nicht zurückkommen.
Timmy öffnete die Augen. Tränen rollten ihm übers Gesicht. Er ballte an den Seiten die Hände zu Fäusten und weinte. Seine Mutter und sein Vater hielten ihn zwischen sich fest und weinten ebenfalls.
Er warf einen letzten Blick auf den Leichnam seines Großvaters, danach sah er nicht mehr hin. Das brauchte er nicht. Das Bild hatte sich in seine Netzhäute eingebrannt.
Opa schlief nicht.
Nach der Totenfeier folgte eine kurze Pause vor der Beisetzung. Timmys Eltern und einige der entfernten Verwandten blieben am Sarg stehen, um sich endgültig zu verabschieden, bevor der Deckel geschlossen wurde. Timmy entschied, sich ihnen nicht anzuschließen, und stahl sich durch die Menge davon. Die anderen Erwachsenen gingen hinaus, um zu rauchen, oder kamen zwischen den Kirchbänken zusammen und unterhielten sich leise. Timmy, Doug und Barry wanderten ziellos durch die Kirche und landeten schließlich unten in einem der Räume der Sonntagsschule. Barry setzte sich auf einen Tisch und ließ die Beine über die Kante baumeln. Timmy stand in der Ecke. Doug hatte ein Hot Wheels -Auto gefunden, das ein jüngeres Kind zurückgelassen haben musste, und fuhr damit willkürlich über die Tischfläche hin und her.
»Wollt ihr noch was unternehmen, wenn ... das hier vorbei ist?«, fragte Timmy. »Ich muss echt auf andere Gedanken kommen.«
»Tut mir leid, Mann, aber ich kann nicht«, entschuldigte sich Doug. »Meine Ma ist gefahren, mein Rad ist zu Hause.«
»Na und? Du kannst doch auch nach Hause laufen. So weit ist das nicht.«
Doug schauderte. »Vorbei an Catchers Auffahrt? Nein danke. Schlimm genug, wenn er mich auf dem Fahrrad jagt. Auf keinen Fall lasse ich ihn hinter mir herrennen, wenn ich zu Fuß unterwegs bin. Der Köter würde mich glatt umbringen. Außerdem regnet es. Ich würde nass und mir eine Erkältung holen. Gibt nichts Schlimmeres als eine Sommergrippe.«
»Waschlappen.« Timmy wandte sich an Barry. »Was ist mit dir?«
»Ich kann auch nicht. Ich muss ... na ja, du weißt schon.«
»Was?«
»Ich muss meinem Dad mit deinem Opa helfen, wenn alle gegangen sind.«
»Oh ...« Das hatte Timmy vergessen. Irgendwie empfand er es als seltsam, dass sein bester Freund dabei helfen sollte, seinen Großvater zu begraben. Frischer Kummer stieg in ihm auf und er seufzte.
Hinter ihnen räusperte sich jemand. Die Jungen drehten sich um. Katie Moore stand am Eingang zum Raum der Sonntagsschule. Timmys Herz schlug ein wenig schneller, wie immer, wenn sich Katie in der Nähe aufhielt. Manchmal hasste es Timmy, welche Gefühle sie in ihm weckte. Es war zwar aufregend, aber auch beängstigend. An Sonntagen während der Predigt ertappte er sich dabei, dass sein Blick unwillkürlich zu ihr wanderte. Nächstes Jahr würde sie in die sechste Klasse kommen und mit ihnen die Junior High School besuchen. Er fragte sich, wie das sein würde, ob sie einander dann öfter sehen würden, und falls ja, ob sich auch mehr Möglichkeiten ergaben, miteinander Zeit zu verbringen. Daran zu denken, verursachte ihm Magenschmerzen.
»Hi, Katie«, begrüßte Barry sie.
»Hi.« Sie lächelte traurig. »Hallo, Timmy.«
Timmy antwortete mit etwas, das sich nur als unverständliches Krächzen beschreiben ließ.
»Was gibt’s, Katie?«, fragte Doug.
»Die haben mich hier runter geschickt, um euch zu suchen«, erklärte sie. »Der Trauergottesdienst fängt gleich an.«
»Oh.«
Timmys Anspannung kehrte beim Gedanken daran zurück, gleich in der vordersten Bank zu sitzen und den Leichnam seines nicht schlafenden Großvaters anzustarren, während Katies Vater über Asche und Staub laberte und darüber, durch das Tal der Schatten des Todes zu wandeln. »Wir kommen sofort rauf.«
»Tut mir leid wegen deinem Opa, Timmy. Er war ein netter Mann.«
Dougs Hot Wheels -Auto verursachte im Hintergrund ein kratzendes Geräusch. Barry räusperte sich und lockerte seine Krawatte.
Timmy wurde bewusst, dass Katie ihn anstarrte und er nicht geantwortet hatte.
»Danke.« Er suchte nach etwas, das er zu ihr sagen konnte, bevor sie ging, weil er die Unterhaltung noch ein wenig länger am Laufen halten
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