Leichenfund - Killer Heat
Anhörungen finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.«
»Wie kann das sein?«, fragte Mercer. »Wer nimmt daran teil?«
»Im Gegensatz zu den anderen Staaten, die diese Maßnahme auch eingeführt haben, ist das Sicherungsverfahren in New Jersey streng geheim. Wir haben kein Geschworenensystem. Die Begründung dafür ist, dass wir die Vertraulichkeit des Patienten schützen müssen. Das heißt, dass Troy Rasheeds Name seit Ablauf seiner offiziellen Freiheitsstrafe in keinen öffentlichen Unterlagen auftaucht.«
»Nirgends? Es gibt keinerlei Unterlagen darüber?«
»Nein. Zwei Richter des Obersten Staatsgerichts kümmern sich um diese Angelegenheiten, und dann werden die Akten versiegelt. Außer von mir werden Sie die Fakten wahrscheinlich von niemandem hören. Und sobald ich sie Ihnen verraten habe, muss ich mich wahrscheinlich auf die Frührente einstellen.«
»Nelly, Sie brauchen mir nur die richtige Richtung zu weisen, den Rest übernehme ich. Wenn Sie bereit sind, bin ich’s auch. Coop wird nicht zulassen, dass man Sie feuert«, sagte Mike.
Sie blickte mich an, aber diese Zusicherung konnte ich ihr nicht geben. Das hier war keine herkömmliche Situation.
»Wie lief Rasheeds Anhörung ab?« Mercers tiefe Stimme und seine teilnahmsvolle Miene beruhigten die nervöse Frau.
»Wie jede andere ungute Verquickung von Justiz und Psychiatrie«, sagte sie. »Das 1998 erlassene Gesetz zur Zwangseinweisung von Sexualstraftätern ist ähnlich konzipiert wie die Einweisungsrichtlinien für geistig Behinderte. Bis auf einen wesentlichen Unterschied.«
»Und der wäre?«
»Bei einem psychiatrischen Patienten liegt das Hauptaugenmerk auf seinem Geisteszustand, seiner momentanen Verfassung. Was er in der Vergangenheit getan hat, selbst wenn er straffällig geworden ist, ist normalerweise nicht von Belang. Aber in Kearny - und das traf auch auf Troy zu - gelten die früheren Delikte als Beweise dafür, wie der Betreffende denkt, handelt und mit welcher Wahrscheinlichkeit er auch in Zukunft wieder eine Straftat begehen wird. Das Gesetz gestattet es, diese Monster nicht nur wegen ihrer Taten, sondern wegen ihrer Gedanken einzusperren.«
»Ich bin dabei.« Mike ging auf dem alten Holzparkett in Kallins Küche auf und ab. »Gehirnpolizei - das würde mir auch gefallen. Ich würde meine Typen auch gern für ihre Gedanken festnehmen, und zwar bevor sie abdrücken.«
»Es geht also um den Geisteszustand des Patienten. Damit ist vermutlich alles Mögliche als Beweis zulässig, stimmt’s? Hörensagen, alte psychiatrische Gutachten aus dem Ermittlungsverfahren, Äußerungen, die er während seines Haftaufenthalts den behandelnden Therapeuten gegenüber gemacht hat?«
»Und das ist nur der Anfang. Die Psychiater sagen über die sexuellen Vorlieben und Fantasien der Gefangenen aus - beziehungsweise was sie für ihre Fantasien halten. Die Staatsanwaltschaft kann sich aussuchen, wen sie als psychiatrischen Gutachter hören will. Kurzum, der Staat findet so gut wie immer einen Grund, die Typen noch länger wegzusperren.«
»Warum wurde Rasheed dann dieses Mal freigelassen?«, fragte ich.
»Weil er gelernt hat, uns zu besiegen. Troy nahm sich ein Beispiel an den wenigen Männern, die es vor ihm geschafft hatten. Ich wette, dass er im Gegensatz zu früher seine Opfer nicht aus dem Hinterhalt angegriffen hat. Davon bin ich überzeugt. Dieses Mal wusste er, wie er sie auch ohne Gewaltanwendung dazu bringen konnte, mit ihm zu kommen.«
Momentan sah es nicht danach aus, als ob es uns gelingen würde, die letzten Stunden - oder gar Minuten - im Leben von Amber Bristol, Elise Huff und Connie Wade zu rekonstruieren.
»Wie lief die Sache in Rasheeds Fall ab?«, fragte Mercer noch einmal.
»Vor fast vier Jahren teilte man ihm mit, dass er nach Kearny überstellt werden würde, nur wenige Tage vor Ablauf seiner Gefängnisstrafe. So läuft es immer. Es ist ein geheimes Verfahren, und die Benachrichtigung kommt für den Gefangenen aus heiterem Himmel.«
»Wer bestimmt, welche Gefangenen es trifft?«
»Meine Kollegen in der Verwaltung. Es gibt keine schriftlichen Richtlinien.«
»Das ist einer der Gründe, warum diese Zwangseinweisungen vor den Bundesgerichten angefochten werden«, sagte ich. »Für die Häftlinge stellt die Willkür des Verfahrens einen Verstoß gegen die Verfassung dar.«
Kallin blickte aus dem Fenster. Ich folgte ihrem Blick, konnte aber außer der Hecke zwischen ihrem kleinen Garten und dem Nachbarhaus
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