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Leichenraub

Leichenraub

Titel: Leichenraub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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gekommen war, um das Feuer neu zu entfachen. Sie konnte gerade eben eine schemenhafte Gestalt ausmachen, die sich in der Dunkelheit bewegte. Dann hörte sie, wie ein Stuhl umkippte, und eine Stimme brummte: » Hol’s der Teufel! «
    Ein Mann.
    Rose schwang sich aus dem Bett und lief rasch zum Kamin, wo sie im Dunkeln nach einer Kerze tastete. Als die Flamme aufflackerte, sah sie, dass der Eindringling ein junger Mann im Nachthemd war, mit blondem Haar, das vom Schlaf wirr und zerzaust war. Bei ihrem Anblick erstarrte er, offenbar nicht minder erschrocken als sie.
    Es ist der junge Herr, dachte sie; Dr. Grenvilles Neffe, von dem man ihr erzählt hatte, dass er sich in seinem Schlafzimmer im Obergeschoss von seiner Operation erholte. Der Stumpf seines linken Unterarms war mit einem Verband umhüllt, und er wirkte recht unsicher auf den Beinen. Sie stellte die Kerze ab und eilte zu ihm, um ihn aufzufangen, als er zur Seite kippte.

    »Alles in Ordnung, mir fehlt nichts«, beharrte er. »Sie sollten nicht aufstehen, Mr. Lackaway.« Sie stellte den Stuhl auf, den er gerade umgestoßen hatte, und setzte den jungen Mann vorsichtig darauf. »Ich hole Ihre Mutter.«
    »Nein, tun Sie das nicht. Ich bitte Sie!«
    Sein inständiges Flehen ließ sie innehalten.
    »Sie wird sich nur unnötig aufregen«, sagte er. »Ich habe es satt, dass alle immer einen solchen Wirbel um mich machen. Ich habe es satt, in meinem Zimmer eingesperrt zu sein, nur weil sie panische Angst hat, ich könnte mir ein Fieber holen.« Er sah sie eindringlich an. »Wecken Sie sie nicht. Lassen Sie mich einfach ein Weilchen hier sitzen. Dann gehe ich wieder hinauf in mein Bett, versprochen!«
    Sie seufzte. »Wie Sie wollen. Aber Sie sollten nicht allein auf den Beinen sein.«
    »Ich bin ja nicht allein.« Er brachte ein mattes Lächeln zustande. »Sie sind da.«
    Sie spürte seinen Blick im Rücken, als sie zum Kamin ging, um die Kohlenglut zu schüren und Holz nachzulegen. Bald loderten die Flammen auf, und wohlige Wärme breitete sich in der Küche aus.
    »Sie sind also dieses Mädchen, von dem das ganze Personal redet«, sagte er.
    Sie wandte sich zu ihm um. Das neu entfachte Feuer erhellte sein Gesicht, und sie sah fein geschnittene Züge, eine edle Stirn und einen beinahe mädchenhaften Mund. Die Krankheit hatte die Farbe aus seinen Wangen weichen lassen, doch es war ein hübsches, empfindsames Gesicht, eher jungenhaft als männlich.
    »Sie sind Norris’ Freundin«, sagte er.
    Sie nickte. »Ich heiße Rose.«
    »Nun, Rose, auch ich bin sein Freund. Und nach allem, was ich höre, braucht er jetzt jeden Freund, den er finden kann.«
    Der Ernst von Norris’ Lage lastete mit einem Mal so schwer auf Roses Schultern, dass sie auf einen Stuhl am Tisch sank. »Ich habe solche Angst um ihn«, flüsterte sie.

    »Mein Onkel hat Beziehungen. Er kennt viele einflussreiche Persönlichkeiten.«
    »Selbst Ihr Onkel hat inzwischen seine Zweifel.«
    »Aber Sie nicht?«
    »Nicht die Spur.«
    »Wie können Sie seiner so sicher sein?«
    Sie sah Charles unverwandt an. »Ich kenne sein Herz.«
    »Wirklich?«
    »Sie denken, ich bin bloß ein schwärmerisches Mädchen.«
    »Es ist nur, weil man so viele Gedichte über selbstlose Liebe liest. Aber in der Wirklichkeit findet man so etwas selten.«
    »Ich würde meine Liebe nicht an einen Mann verschwenden, an den ich nicht glaube.«
    »Also, sollte mir eines Tages der Galgen blühen, Rose, dann würde ich mich glücklich schätzen, eine Freundin wie Sie zu haben.«
    Bei der Erwähnung des Galgens schauderte es sie, und sie wandte sich ab, um in den Kamin zu starren, wo die Flammen gierig das Holzscheit verzehrten.
    »Es tut mir leid, das hätte ich nicht sagen sollen. Sie haben mir so viel Morphium verabreicht, dass ich schon nicht mehr weiß, was ich rede.« Er sah auf seinen verbundenen Armstumpf. »Ich bin neuerdings zu gar nichts mehr zu gebrauchen. Kann mich nicht mal auf meinen eigenen zwei Beinen bewegen.«
    »Es ist schon spät, Mr. Lackaway. Sie sollten eigentlich im Bett liegen.«
    »Ich bin nur heruntergekommen, um mir einen Schluck Brandy zu genehmigen.« Er warf ihr einen hoffnungsvollen Blick zu. »Würden Sie ihn mir holen? Er steht in dem Schrank dort drüben.« Er deutete in die Ecke der Küche, und sie hatte den Verdacht, dass er nicht zum ersten Mal nachts durchs Haus geisterte, um sich an der Brandyflasche zu vergreifen.
    Sie schenkte ihm nur einen Fingerbreit ein, und er leerte das Glas in einem Zug. Obwohl

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