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Leichenroulette - Roman

Leichenroulette - Roman

Titel: Leichenroulette - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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hätten es genauso billig kaufen können wie das Zwergenheim der Witwe, um es dann mithilfe von »Pfuschern«, wie die Schwarzarbeiter aller Herren Länder ohne Arbeitser laubnis, Aufenthaltsgenehmigung und daher auch ohne teure Sozialversicherung bei uns genannt werden, selbst zu restaurieren. Doch diesen Traum schmetterte Leopold, der sich einmal beim Einschlagen eines Nagels fast den Daumen verstümmelt hatte, von Anfang an vehement ab.
    Mit Feuereifer gab ich unser Barvermögen bis auf den letzten Schilling aus. Poldi beteiligte sich nicht daran, die Ausstattung unseres Heims interessierte ihn nicht. Er durfte nicht gestört werden, denn er verpasste seinem »Bestseller« gerade den allerletzten Schliff. »Die heikelste Phase meines Schaffens ist angebrochen«, meinte er nervös. Ich hatte dafür größtes Verständnis, ließ ihn in Ruhe und ersteigerte im Dorotheum, Wiens größtem Auktionshaus, einige originelle Möbelstücke. Bei IKEA kaufte ich Betten, Textilien, billiges Geschirr und allerlei Hausrat. Begeistert blätterte ich in Tapetenkatalogen. Für das Wohnzimmer wählte ich schließlich ein wildes gelb-grünes Muster, das Illusionen an einen tropischen Dschungel weckte. Für das Schlafzimmer im ersten Stock schienen mir liebliche Blümchen, auf die ich sogar die Bettwäsche abstimmte, sehr passend.
    Einige Tage vor dem Einzug kehrte ich die Terrasse und rodete ein wenig im Garten, als ich ein lautes Maunzen an meiner Seite vernahm. Ein weiches Fell strich gegen mein rechtes Bein. »Ja, wo kommst du denn her?«, wunderte ich mich beim Anblick einer wunderschönen grauen Katze und kraulte sie hinter dem Ohr. Ich gab ihr in einem Schälchen Milch. Sie folgte mir ins Wohnzimmer, wobei sie die ganze Zeit vorwurfsvolle, sehr unfreundliche Laute von sich gab. Allem Anschein nach beklagte sie sich in Katzen sprache ausführlich über ein ihr widerfahrenes Ungemach. Nach einer ausgiebigen Fütterung schlief sie erschöpft ein. Ich war gerührt. Was für ein gutes Omen, beim Einzug in unser neues Heim eine Katze vorzufinden! Poldi teilte meine Freude nicht, gestattete jedoch, dass der ungebetene Schnurrer vorerst blieb. Er nahm an, dass es sich um das neugierige Tier eines Nachbarn handelte, das sich, wie er sagte, bald »ganz von allein trollen« würde. Seine Hoffnung erfüllte sich nicht, denn »Murli«, wie ich ihn – er entpuppte sich als Kater – rief, hielt es wie einstens Cäsar: Er kam, sah und siegte.
    Wir richteten uns gemütlich und häuslich ein. Als Poldi sein monumentales Werk vollendet hatte, entkorkten wir in der Vorfreude auf üppige Tantiemen aus dem Buchverkauf eine Flasche echten Champagner. Beseelt von großen Erwartungen, fertigten wir ein Dut zend Kopien an, packten die eng beschriebenen Blätter sorgfältig in braunes Packpapier und versandten sie mit freundlichem Begleitschreiben an die führenden Sachbuchverlage in Deutschland und Österreich.
    Während wir gespannt auf Antwort warteten, erkundeten wir voll Neugier die engen Gässchen unserer neuen Heimat. Uns verblüffte, dass sich, im krassen Gegensatz zu der auf Kleinheit getrimmten und höchstens für Zwergmenschen passenden Mini-Welt, die Bewohner der Siedlung als höchst substanzielle Wesen erwiesen. Bei guter Witterung schoben leicht bekleidete übergewichtige Männer voll Inbrunst ihre Rasenmäher über die Miniwiesen. Bückten sich die Kurzbehosten, um den letzten unbotmäßigen Gräslein am Wegrand den Garaus zu machen, quoll ihr von einem T-Shirt nur notdürftig verhüllter Bauch, in Wien »Wampe« genannt, hervor, verhüllte ihre Männlichkeit und machte sie zu seltsam geschlechtslosen Wesen.
    Als wir auf den Bierhäuslberg zogen, war uns als gartenlosen Menschen das Problem und die Plage der Nacktschnecken kein Begriff gewesen, im Gegenteil. Als Naturliebhaber und -schützer sammelten wir die spanischstämmigen Schleimspurzieher bei unseren ersten Spaziergängen voll Mitleid und in ahnungsloser Naivität auf den Fahrbahnen ein. Wir setzten sie an den Straßenrand, um sie vor den Autos zu retten. Diese harmlose, jedoch von Anrainern scheel beobachtete Tat hatte üble Folgen. Man lachte hinter unserem Rücken, es zirkulierte das Gerücht, dass sich eigenartige Sonderlinge und weltfremde Spinner angesiedelt hätten. Lange litten wir unter diesem Ruf, obwohl ich mich bald voll Begeisterung und Stolz von der Schneckensammlerin zur -vernichterin wandelte.
    Wir hatten ja anfangs keine Ahnung vom Wirken der spanischen

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