Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Leichenroulette - Roman

Leichenroulette - Roman

Titel: Leichenroulette - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
Vom Netzwerk:
in unsere Straße einbog, kam ich gerade dazu, wie ihm Herr Pollatschek vor der Haustür in präziser, fast ultimativer Form gute Ratschläge zur Gartengestaltung erteilte. Poldi nahm sie demütig, mit leicht gebeugtem Rücken und betretenem, einfältigem Schweigen entgegen. Wut stieg in mir auf, doch ich lauschte schweigend, bis wir endlich allein waren. Dann sagte ich Poldi meine Meinung: »Nicht nur, dass du dir das blöde Geschwätz über günstige Angebote im Baumarkt, die neuesten Einfassungen für Gemüsebeete und Mini-Springbrunnen anhörst und nie widersprichst! Ich weiß, dass du das Zeug auch kaufst!« Wenig später brachte der Feigling doch tatsächlich ein von Fritz Pollatschek angepriesenes Gift gegen Nacktschnecken heim.
    Bei »Wetten, dass« vor dem Fernseher griff ich das Thema Pollatschek/Leopold erneut auf. Eine erregte, etwas einseitige Debatte über die Nachbarn im Allgemeinen, Pollatschek im Besonderen und Poldis kriecherischen Umgang mit ihnen entspann sich. Mit meinem Mann zu streiten war ein schweres Unterfangen, das Geschick und Übung erforderte. Auch diesmal riefen meine Vorwürfe keine Reaktion, sondern nur ein verlegenes, entschuldigendes Hüsteln hervor. Das erboste mich und trieb mich zu schrillen, ausfälligen Beschimpfungen, wobei ich mich auf die körperlichen Defizite meines Gatten konzentrierte.
    Leopold als verklemmter Einzelgänger lebte ohne Freunde und Bekannte. Nur Dr. Franz Wegner, ein Historikerkollege und Sonderling wie er selbst, stattete ihm hin und wieder einen Besuch ab. Allerdings nur so lange, bis der stets korrekt gekleidete, steife unverheiratete Mann mit dem kleinen Schnauzbart und dem umständlichen Gebaren entdeckte, dass wir unser Heim mit Murli teilten. Er beäugte ihn voll Abscheu. »Gehört der fette Kater Ihnen? Er schaut aus wie ein Hängebauchschwein!«, fragte er erregt und schwer atmend, um uns dann über seine Krankheit aufzuklären, eine schwere Allergie gegen Katzenhaare.
    Dies und eine daraus resultierende, drastisch formulierte Antipathie gegen Haustiger aller Art hielten den honorigen Wissenschaftler in der folgenden Zeit von unserem Zuhause fern. Trafen wir ihn in einem Restaurant, wurde er nicht müde, uns, vor allem aber mir, voll Gusto zu schildern, wie man im von Aber glauben erfüllten dunklen und engstirnigen Mittel alter mit den Ahnen der Auslöser seiner Krankheit, in denen man die Träger von Unheil vermutete, verfahren war. Dass man in schwarzen Katzen den Teufel sah, den es mittels Exorzismus auszutreiben galt. Von Prozessen, in denen die Tiere zu Hunderten auf Scheiterhaufen verbrannt oder gevierteilt wurden. Wie man noch im 18. Jahrhundert als »ausnehmendes Plaisir« adeliger Kreise das sogenannte »Fuchsprellen« veranstaltet hatte. Dazu wurden auf Befehl des Oberjägermeisters Füchse und andere geeignete Tiere, wie Katzen und Hunde, gefangen. »Cavaliers und Dames« schnellten diese dann mit einem festen Tuch, der Prelle, in die Luft. Man amüsierte sich über die Luftsprünge und Kapriolen der gequälten Tiere, die dabei oft Verletzungen erlitten.
    Dr. Wegner teilte, wie er erklärte, voll und ganz die Ansicht des Universal-Lexikons von 1735: »Thiere in ihrem Blut liegen sehen, selbst die Hand an sie gelegt haben, neue Arten ihrer Martern erdencken, ist noch keine Grausamkeit.« Mich ekelte vor dem unscheinbaren, aber bösartigen Mann. Meine empörten Einwände, dass wir diese Barbareien und finsteren Zeiten zum Glück überwunden hätten und dass man bereits im alten Ägypten Katzen als Götter verehrt und nach ihrem Tode einbalsamiert und ehrenvoll bestattet habe, wischte Dr. Wegner als sentimentale Ansichten einer weltfremden Dilettantin zur Seite. Er brillierte stattdessen mit seinem Historikerwissen: »Stellen Sie sich das vor! Spaniens ältestes gedrucktes Kochbuch aus dem 15. Jahrhundert enthält ein köstliches Rezept für Katzenbraten!« Auf meine entsetzte Frage, ob er denn Tiere nicht liebe, meinte er höhnisch: »Aber doch, selbstverständlich. Vor allem Heringe in Dosen.« Dieser gemeinen Antwort fügte er genüsslich hinzu, dass es immer noch viele Leute gebe, die Katzen Glassplitter unter das Futter mischten oder es mit Rattengift versetzten. »Wahrscheinlich sprichst du von dir selbst«, dachte ich mir wutentbrannt.
    Wegners verbale Rohheiten verfolgten mich lange, sie störten sogar meine Nächte. Kam ich dann endlich zur Ruhe, so quälten mich Alpträume. Im Wachen erfüllten mich böse Gedanken an den kleinen

Weitere Kostenlose Bücher