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Leichenroulette - Roman

Leichenroulette - Roman

Titel: Leichenroulette - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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Historiker. Doch was konnte man tun? Man war doch hilflos gegen die Schlechtigkeit dieser Welt.
    Wenig später wurden die gelegentlich anberaumten Treffen, bei denen ich anwesend sein durfte, aus hygienischen Gründen in die Kochgasse Nr. 22 im 8. Wiener Gemeindebezirk verlegt. Dort besaß Dr. Wegner in einem zwar schönen, aber heruntergekommenen Haus mit bröckelnder Fassade, wo in dem einst elegan ten Entree die Abfallkübel gleich hinter der Eingangstür fast den Weg versperrten, eine große, von seinen Eltern übernommene und seither unverändert belassene, katzenfreie und düstere Wohnung.
    Als wieder ein Besuch bei Dr. Wegner bevorstand, machte ich mir Gedanken über ein passendes Gastgeschenk. Nach Erwägungen verschiedenster, aber stets unfreundlicher Art füllte ich schließlich Katzenfutter aus einer Dose mit dem Etikett »Ragout des Canards. Für verspielte Kätzchen« in ein kleines Keramik-Töpfchen um, verzierte es mit ein paar Preiselbeeren, verschloss es sorgfältig mit einer bunten Plastikhülle und versah das Ganze mit der verschnörkelten Aufschrift »Wildpastete nach Hausfrauenart«.
    Dr. Wegner freute sich sehr darüber. Ich bedauerte allerdings, dass es mir verwehrt blieb, ihn beim Verzehr der kätzischen Köstlichkeit zu beobachten. Auf jeden Fall habe es ihm, wie er mir mitteilte, sehr geschmeckt.
    Und mich hat es zu weiteren Taten ermutigt und angeregt.
    Bei einer neuerlichen Einladung zu Tee, gekauftem trockenem Anker-Kuchen und gespreizter Konversation entpuppte sich der Experte für Diplomatik des 15. Jahrhunderts nicht nur als potenzieller Tierquäler, sondern auch als Frauenhasser. »Ja, das verstehen die Mädels eben nicht«, äußerte er sich wiederholt, wenn ich eine Bemerkung zur Tagespolitik von mir gab. Sehr schnell beschloss ich, dass der hässliche Macho eine weitere, etwas deftigere Lektion erhalten sollte. Mit stärkeren Mitteln, denn Katzenpastete allein, und war sie auch vom Feinsten gewesen, hatte sich eindeutig als zu schwach erwiesen! Allem Anschein verfügte der verkümmerte Mediävist über einen ebenso verkümmerten Geschmackssinn.
    Kurz bevor wir Dr. Wegner wieder einmal die Ehre erweisen sollten, unterzog ich Murli mithilfe eines feinen Staubkamms einer ausgiebigen Körperpflege, was der Kater sehr zu schätzen schien. Er warf sich lustvoll auf den Rücken und schnurrte vor Begeisterung so laut, dass ich lachen musste, während ich sorgfältig die dünnen Unterhaare seines Fells entfernte. Anschlie ßend gab ich den derart gewonnenen Knäuel aus grauen Katzenhaaren sorgfältig in einen Briefumschlag, und verstaute ihn in meiner Handtasche. Die Höflichkeitsvisite, der ich diesmal mit gespannter Neugier entgegensah, versprach nicht ganz so fad wie sonst immer zu werden. In eleganter Aufmachung begrüßte ich mit wahrer, ungeheuchelter Freude den in ein altmodisches kariertes Sakko samt Fliege gekleideten Katzen hasser, der uns in sein stickiges, selten gelüftetes Wohn zimmer mit den schweren braunen Samtvorhängen und den verblichenen Polstermöbeln von anno Schnee bat. »Delikat war neulich Ihre Pastete aus eigener Produktion, kleine Frau!«, meinte er wohlwollend zu mir, obwohl ich ihn überragte. Die erste Portion meines geheimen Mitbringsels schob ich diskret in die Ritzen des Fauteuils, von dem sich der Gastgeber umständlich erhob, um nach dem auf dem Küchenherd aufgesetzten Teewasser zu schauen. Eine weitere ließ ich während seiner Abwesenheit auf den Teppichboden gleiten und mit einer dritten strich ich unauffällig über das Tischtuch.
    Als Dr. Wegner mit einer abgeschlagenen Teekanne aus dünnem Porzellan zurückkehrte, die er vorsichtig in der Hand balancierte, räusperte er sich mehrmals, wobei er den Kragen seines Hemds mit zwei Fingern lockerte. Ich hatte auch den Eindruck, dass er etwas um Atem rang. Mit Wohlgefallen beobachtete ich, während ich den ganz exzellenten Tee schlürfte, dass es unserem Gastgeber gar nicht gut zu gehen schien. Auf die Äußerungen meines Mannes über die lamentablen, ja skandalösen Zustände am Historischen Institut, die ihn ansonsten sehr bewegten und zu wahren Hasstiraden verleiteten, antwortete Wegner heute nicht. Seine Gesichtsfarbe änderte sich allmählich. Und spätestens zu dem Zeitpunkt, als sie ein hübsches Grau annahm, merkte ich, dass er das Interesse an uns gänzlich verloren hatte. Seinen keuchend hervorgestoßenen Worten konnte ich nur mehr mit Mühe entnehmen, dass es ihn nach seinen Tropfen gegen

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