Leichenroulette - Roman
Ratschlag. Der sicherlich nützliche Hinweis »Sie können die Kleider des Verstorbenen (außer Schuhe!) in der Kundenservicestelle der Bestattung Wien während der Dienstzeiten abgeben!« gab mir zu denken, blieb mir jedoch unverständlich. Glaubten die Beamten, dass man im Himmel zwar bekleidet, aber ohne Schuhe umherging? Ich unterließ es, meinen Mann zu fragen.
Kapitel 11
11
Genau nach Plan kochte ich dem Leopold an einem der folgenden Samstage sein Lieblingsessen, Marillenknödel mit Zwetschkenröster. Danach schenkte er sich selbst, zur besseren Verdauung, flott einige Stamperl Schnaps ein. Dazu benötigte es keiner Ermutigung von meiner Seite, denn seine alk1oholfreien Zeiten gehörten schon längst der Vergangenheit an. Seit dem Unfall griff Poldi häufig und regelmäßig zur Flasche, wobei sich Murli – zu meinem großen Missfallen – an seine Seite schmiegte, ihn aufmerksam, ja fast gierig betrachtete und sich mit der Zunge über das Mäulchen schleckte. Seit sich ihm mit der unerwarteten Kostprobe von Eierlikör auf dem Teppich der Treppe eine neue, aufregende Genusswelt erschlossen hatte, war mein sorgsam gepflegter und erzogener Kater auf den Geschmack gekommen. Nicht ohne Grund argwöhnte ich, dass Poldi voll Bosheit diese kätzische Unart förderte, indem er den Inhalt von Murlis Milchschälchen heimlich mit süßem Alkohol versetzte. Er hatte das unschuldige Tier zu einem Lasterleben verführt und zu seinem Kumpan erkoren – zwei Säufer in einem Haus!
Manchmal ertappte ich den Kater, wie er sich, offenkundig betrunken, unter Poldis heiterem Lachen laut grollend und mit komisch steifem Gang einem als Feind erkannten Sessel näherte, den er mit seinen Krallen wild attackierte. Oder er lief ohne erkennbaren Anlass in rapider Folge ein paar Runden im Kreis, um dann, lang ausgestreckt und wohlig schnarchend, stundenlang mitten auf dem Wohnzimmerteppich seinen Rausch auszuschlafen. Beim Anblick der beiden Betrunkenen stiegen Vorahnungen in mir hoch. Unwillkürlich sah ich Parallelen zu jenem berühmten Kater Arthur, der sich in einem amerikanischen Seniorenheim durch seinen fast hellseherischen Instinkt großen Ruhm erworben hatte. Das Tier ahnte nämlich, wenn die letzte Stunde eines Senioren nahte, schloss sich dem Todgeweihten in rührender Weise an, legte sich zu ihm ins Bett und wich ihm bis zu seinem Ende nicht mehr von der Seite. Diese traurige Geschichte kam mir jedes Mal in den Sinn, wenn ich Mann und Haustier in gemeinsamer Eintracht durchs Haus wanken sah.
Nachdem Poldi an besagtem Samstag, wie er es sich angewöhnt hatte, einen ausgiebigen Schlaftrunk zu sich genommen hatte, bereitete ich ihm sein gewohntes abendliches Bad, wobei ich zur Steigerung des Wohlbehagens duftende, ölige Badeessenzen beifügte. »Was soll denn das?«, knurrte Poldi, während er umständlich in das schäumende, glitschige Wasser hineinrutschte. »Du sollst es doch genießen, es wird dir guttun«, meinte ich geheimnisvoll.
Und dann war es nur ein Kinderspiel! Als es vorbei war, richtete ich mich, genau wie ich es in meinem Romanfragment beschrieben und vorhergesehen hatte, erleichtert auf.
Die Anspannung machte sich trotzdem bemerkbar, denn ein stummes, leicht hysterisches Lachen erschütterte meinen Körper. Ein wenig nass geworden, trocknete ich mir sorgfältig die Hände, um mich dann im Spiegel des Badezimmers zu betrachten. Hinterließ die Tat vielleicht Spuren, verräterische Änderungen in Ausdruck und Mimik, wie man das immer behauptete? Nichts davon war der Fall. Ein bleiches Gesicht schaute mir entgegen. Meine Augen blinzelten, wie es mir vorkam, froh. Ich fühlte mich gut und reizvoll zugleich.
Mich seitwärts drehend, nutzte ich die Gelegenheit zur kritischen Betrachtung meiner Figur. Ich war schlanker geworden! Die abstoßenden Fettpolster um die Hüfte waren tatsächlich der letzten strengen Krautsuppenkur zum Opfer gefallen. Eine Mühe, an die ich mit Stolz zurückdachte! Fünf Tage nichts anderes als dünne Süppchen und Wasser. Doch alles war gut verlaufen, und wie nach der Affäre mit dem unglücklichen Dr. Wegner durchströmte mich auch diesmal ein angenehm prickelndes Wohlgefühl von Kopf bis Fuß.
Alles war nach Plan und genau so geschehen, wie ich es in dem Buch über die Badewannenmorde gelesen hatte. Dort stand nämlich, für jedermann leicht begreiflich: Der Mörder – oder wie in diesem Fall ich, die Mörderin – nähert sich unverdächtig dem Opfer, das sich arglos in
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