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Leichenroulette - Roman

Leichenroulette - Roman

Titel: Leichenroulette - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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Schmerzen und weitere arge Unbillen. Drohten dem Pechvogel doch ein abermaliges Ruhigstellen seiner verletzten Gliedmaßen, roh ausgedrückt neue Bandagen aus Gips. Der Heilungsprozess war, wie ihm die Ärzte geradezu vorwurfsvoll und bar jeder falschen Gefühlsduselei mitgeteilt hatten, gar nicht zufriedenstellend verlaufen.

Kapitel 10
    10
    Mein ruhiges, friedliches Bierhäusl-Arkadien mit Murli, der nicht nur aufblühte, sondern auch, da ich ihn nach Strich und Faden verwöhnte, weiter an Gewicht zulegte, währte daher nicht allzu lange – Leopold kehrte samt neuen blendend weißen Gipshüllen zurück. Weiter im Krankenstand und ans Haus gefesselt, widmete er sich erneut voll Verbissenheit der Genealogie des niederen mittelalterlichen Adels im Bezirk Amstetten. Mich interessierte das schon längst nicht mehr.
    Schwerer wog, dass mein Mann begann, Murli nachzustellen. Bald wurde es klar, dass er sich an dem unschuldigen Tier, das er für seinen Unfall verantwortlich machte, zu rächen gedachte. Mit Argusaugen und tiefer Abscheu beobachtete und verhinderte ich seine plumpen, als Unfälle getarnten Versuche zur Beseitigung meines über alle Maßen geliebten Katers. Einmal wollte er ihn doch tatsächlich in einem unbeobachteten Moment nach Gogol’scher Manier mit seiner Krücke in das Biotop unseres kleinen Gartens stoßen, ein anderes Mal trat er mit seinem Gipsbein nach ihm, wobei er ihn nur um Haaresbreite verfehlte. Dies in der bitterbösen Absicht, ihm das Rückgrat zu brechen. Die Mordattacken blieben nur dank meiner ständigen Wachsamkeit erfolglos. Wir diskutierten erbittert, Poldi leugnete alles. Mit unerhörter Frechheit warf er mir krankhafte Hysterie und übertriebene Einbildungskraft vor.
    Daraufhin wechselten wir tagelang kein einziges Wort. Schließlich nahm Poldi Vernunft an und brachte eine halbherzige Entschuldigung vor. Es täte ihm leid, er wäre zu weit gegangen. Sein Einlenken führte ich auf meinen bevorstehenden 50. Geburtstag zurück. Geheimnisvoll tuschelte er mit Mizzi, telefonierte er mit meiner Mutter und meiner Schwiegermutter. An dem Tag, an dem ich ein halbes Jahrhundert vollendete, war mir nicht fröhlich zumute. Visionen von Alter und Tod stiegen in mir auf: Ab heute stehe ich im sechsten Lebensjahrzehnt. Wie viel Zeit bleibt mir noch? Werde ich bald sterben? Es ist schrecklich!
    Die Worte meiner Mutter klangen mir im Ohr: »Du wirst seh’n, was da auf dich zukommt. Alt zu sein ist ein Fulltime-Job.« Ich wollte nur allein sein, aber Poldi überredete mich am Abend, ganz gegen meinen Willen, zu einem Gasthausbesuch. Er wolle doch mit mir beisammensitzen und ein wenig feiern. Zu meinem Erstaunen führte uns der Wirt vom »Schwarzen Bären« in sein für größere Gesellschaften reserviertes Extrazimmer.
    Die Überraschung war perfekt! Lautes Hallo begrüß te mich. Da saßen sie alle: meine Eltern und Schwie gereltern, Mizzi und ihr Mann, unser »Sir«, zwei Kollegen aus der Bank, auch die dicken Pollatscheks grins ten mir entgegen. Ich dankte Poldi, freute mich, vergaß mein Alter, auch meine ungewaschenen Haare, und nahm an der festlich geschmückten Tafel Platz. Ich bekam wunderschöne Blumen und vielversprechend aussehende Päckchen, die ich auf einem kleinen Beistelltischchen neben mir deponierte.
    Poldi hielt mich vom Auspacken zurück. »Wart noch ein bisschen – ich möchte ein paar Worte sagen!« Er schlug mit seiner Gabel gegen ein Weinglas. »Ich habe ein Gedicht von Hermann Hesse gefunden und es speziell für dich adaptiert.« Die Runde blickte auf. Sie erwartete eine scherzhafte Rede über ewige Jugend, blendendes Aussehen oder Ähnliches, wie man sie eben zu diesem Anlass zu halten pflegt. Mein lieber Mann hüstelte, dann begann er langsam und theatralisch: »Die Frau von fünfzig Jahren. Von der Wiege bis zur Bahre sind es fünfzig Jahre. Dann beginnt der Tod. Man vertrottelt, man versauert, man verwahrlost, man verbauert und zum Teufel gehen die Haare. Auch die Zähne gehen flöten. Und statt dass sie mit Entzücken …« Weiter kam mein unglückseliges Gespons nicht – Protestschreie setzten seiner Rezitation ein abruptes Ende. »Ja, is er denn vollkommen verblödet? So eine Frechheit!«, rief mein Vater. »Aber Leopold! Was meinst du denn?«, tadelte meine Mutter sanft. »Ich hab’s immer g’sagt, er spinnt, und es wird ärger«, kommentierte meine Schwiegermutter emotionslos. Alle anderen schüttelten missbilligend den Kopf. Nur »Sir« meinte lachend:

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