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Leichenroulette - Roman

Leichenroulette - Roman

Titel: Leichenroulette - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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und plausibel! Diese Lehre hatte ich aus den Hunderten von Kriminalromanen gezogen, die ich im Laufe der Zeit gelesen habe. Sosehr ich Agatha Christie und viele andere Kriminalautoren auch liebte: Sie neigten zu absurd komplizierten Morden, deren Gelingen an einem seidenen Faden und vielen unvorhersehbaren Faktoren hing, mit einem Zeitplan, bei dem es um Sekunden ging, mit verschlungenen Zusammenhängen, Alibis und Zeugen. Und dann musste man die Leiche vielleicht auch noch in einen Teppich rollen, in kleine Teile zersägen, auf jeden Fall aber heimlich im Schutz der Dunkelheit fortschaffen, verstecken oder gar im Wald begraben. Welche schweißtreibende Mühsal, in einem von Wurzeln durchzogenen harten Boden des Nachts ein Grab zu schaufeln! Schaurig! Patricia Highsmith hatte dies in ihren Büchern genau beschrieben. Ich besaß nicht die Kräfte und die Nerven ihres talentierten Helden Tom Ripley. Dazu war ich wirklich nicht imstande! Oder im Keller verscharren? Wer möchte schon mit einer Leiche im Haus leben?
    Nein, sinnierte ich vor mich hin, während ich meine Haare zuerst frisierte und dann, dem Anlass entsprechend, etwas zerwühlte, nein, wie käme ich denn dazu? So viel Arbeit, die einem doch von den zuständigen staatlichen und dafür bestens ausgerüsteten Institutionen abgenommen werden konnte. Wofür zahlte man schließlich seine Steuern? Konnte man bei über dreißigjähriger Berufstätigkeit, wie in meinem Fall, denn gar keine Ansprüche an Vater Staat stellen, keine Hilfe erwarten? Andere gingen schließlich jedes Jahr auf Kosten der Allgemeinheit auf Kur.
    Ich wählte den ärztlichen Notruf, verharrte eine Zeit lang in der Warteschleife, bis sich eine nicht besonders freundliche Stimme meldete. »Er rührt sich nicht, was soll ich tun?«, schrie ich bewusst konfus. »Rührt sich nicht, bitte helfen Sie mir«, japste ich atemlos ins Telefon. »Schnell, schnell!« Ich brach in unkontrolliertes hysterisches Schluchzen aus.
    »Name, Adresse, worum geht es? Wir kommen.«
    Und sie kamen. Wenig später läutete es an der Sprechanlage, ich öffnete. Zwei junge, fesche, von einem Arzt begleitete Sanitäter eilten herbei. Mit letzter Kraft »da, da« stammelnd, wies ich den Weg ins Bad. Schon packten mich Schwindel und Übelkeit. Das war auch kein Wunder. Hatte ich doch nach dem Frühstück in kluger, vorausschauender Weise mehrere starke und – wie es auf der Packung hieß – die Verkehrstüchtigkeit beeinträchtigende Beruhigungspillen geschluckt. »Warum hat er das nur getan?«, fragte ich verzweifelt den Notarzt, der sich über die Leiche beugte, wobei ich keine Antwort erwartete. »Warum? Ich hab ihm gesagt, ohne meine Hilfe kannst du nicht baden. Das geht einfach nicht. Allein geht das nicht. So ein Unglück! Und warum hat er immer gar so viel getrunken?«
    Nachdem ich dermaßen geschickt das Terrain vor bereitet hatte, wankte ich kreidebleich und einer Ohn macht nahe aus dem Bad, um mich, nicht ohne zuvor noch Mizzi zu verständigen, auf die Couch im verdunkelten Wohnzimmer zu legen. Unterdessen hatte man, wie mir der Notarzt später mit einem Anflug von Bedauern erklärte, mit der Überprüfung von Poldis Vitalfunktionen begonnen. Reine Routine vonseiten der erfahrenen Mannschaft des Notdienstes, denn wie klar ersichtlich war, gab es natürlich keine mehr: Der Mann war tot! Vielmehr zeigten sich bereits Anzeichen von Leichenstarre.
    »Pfui Teufel, wie’s da nach Fusel stinkt. Der muss schon gestern Abend in seinem Suff ersoffen sein«, meinte der Notarzt, der mich außer Hörweite wähnte, emotionslos zu den Sanitätern. Es freute mich zu hören, dass er der von mir ausgelegten Fährte folgte. »Des wor a Unfall. Hat Pech g’habt, der arme Teufel. Mit an Gips und an Rausch badet man halt net! Rufts an!« Damit meinte er, wie ich von dem Ratgeber der städtischen Bestattung her wusste, seinen Kollegen, den Totenbeschauarzt. Ich wusste auch genau, wie es weitergehen würde und dass zwei Möglichkeiten bestanden: Der Beschauarzt gibt die Leiche frei, die Bestattung holt den Verstorbenen ab und bereitet ihn für die Beerdigung vor. Wird die Leiche nicht freigegeben, dann, ja dann, kommt der Tote zur Untersuchung in die Gerichtsmedizin. Naturgemäß gefiel mir die zweite Variante erheblich weniger als die erste. Dass sie nur nicht die Totenruhe stören!, hoffte ich im Stillen.
    Der Totenbeschauer, ein gemütlicher ältlicher Arzt mit rundem, leicht gerötetem Gesicht, der im Dienste der Gemeinde Wien

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