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Leichensache

Leichensache

Titel: Leichensache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Horst
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weg.«
    Hat die mich tatsächlich wiedererkannt. Gutes Zeichen.
    »Ganz schöner Stress hier, so ganz allein, hm?«
    Sie nickt.
    »Ich kenne doch nicht einmal alle Gerichte, und so um acht kommen doch die meisten Gäste. Und viele lassen sich auch noch was einpacken.« Sie winkt ab.
    »Tja …«
    Mann, das ist die Gelegenheit! Noch’n Bier? Ist schon so spät. Vielleicht nachher noch.
    »Also, ich muss dann. Schönen Abend noch.«
    »Schönen Abend.«
    Sie winkt kurz mit der Linken.
    Sieht die gut aus.
     
    Draußen ist es fast genauso warm wie drinnen, ein Stern leuchtet hell über den Bäumen.
    Verdammt. Sie ist allein in dem Laden, und ich hab keine Zeit. Einen Stuss hab ich gequatscht. Ob für’n Bier noch Zeit ist? Aber mit welcher Begründung?
    Ach, vergiss es.
    23 Uhr 10
    Schwere Schwüle, das Fenster ist geöffnet. Elisabeth atmet langsam und gleichmäßig. Eingepennt? Hey, Schlafmütze.
    »Lass das.« Leises Nörgeln.
    Sie hebt ihren Arm etwas vom Bauch ab, er klebt, sie legt ihn zurück.
    Atmet wieder langsam und gleichmäßig. Durch den Schweißfilm reiben sich die Auflageflächen der Haut bei jedem Atemzug glitschig aneinander.
     
    Zigarettenqualm steht in der Luft. Die Nachttischlampe zeichnet an der Decke Muster.
    Wie sieht das aus? Wie’n Stern. Wie’n Weihnachtsstern. Oder wie ’ne Supernova, aus zwanzig Millionen Lichtjahren Entfernung.
    Zwanzig Millionen Lichtjahre, und das ist erst der Anfang.
    Unvorstellbar.
    Da draußen kreisen unvorstellbare Massen und Mengen in unvorstellbaren Räumen, und ich liege hier auf ’ner Zwei-mal-zwei-Meter-Matratze, die nach Schweiß und Möse riecht, und finde es bedeutend, dass ich schon wieder ’nen halben Ständer habe.
    Ist eigentlich irgendwas bedeutend? Die Menschen, Gefühle, das Vögeln? Eigentlich nichts. Kerstins Tod auch nicht. Nicht mal Ayse. Nicht mal Ayse. Dafür dass ich die erst zweimal gesehen habe … Schon Viertel nach elf. Dass ich hier nicht noch einpenne.
    Elisabeths Gesicht löst sich mit einem leisen Schmatzen von der Brust, die Auflagefläche ist etwas gerötet. In der Stirn kleben einige lange Strähnen, helles Blond, das durch die Feuchtigkeit dunkler geworden ist. Die Augen sind schlitzförmig geöffnet. »Was is’n los?«
     
    Auf der rechten Brust sind neben der Brustwarze zum Sternum hin einige Schweißperlen zu sehen, der linke Arm ist halb zurückgelehnt, die Achselhaare sind verklebt.
    »Schon Viertel nach. Ich hau besser ab, bevor ich hier einpenne.«
    »Dann kann ich auch besser schlafen. Ganz schöne Hitze.«
     
    Das dünne Oberbett ist halb heruntergezogen und verläuft in einer Linie vom Becken abwärts. Der obere seitliche Ansatz der Schambehaarung ist zu sehen, das linke Bein ist frei. Kurz unter dem rechten Knie findet sich ein etwa groschengroßes Hämatom.
    »Wo ist denn mein rechter Socken?«
    »Es gibt keine rechten und linken Socken.«
    »Wenn man sie schon mal anhatte, schon.«
     
    Am Knöchel des linken Fußes ist ein goldfarbenes Kettchen zu erkennen. Die Fußnägel sind kurz und in gepflegtem Zustand.
    »Ich bleib liegen, ja. Sei ’n bisschen leise, dass dich die alte Poletz nicht hört.«
     
    Ihre Wange ist feucht und warm.
    Draußen ist es kühler als erwartet, jetzt sind einige Sterne mehr zu erkennen als vorhin, leichter Wind bewegt die Blätter der Kastanie, die nahe Stadt rumort, wie ein blähender Darm, ein Martinshorn jault weit weg.
     
    Durch den Spalt des Seitenfensters kühlt der Fahrtwind den feuchten Nacken. Wie seh ich überhaupt aus? Geht noch.
    Im Radio grölt Gianna Nannini. Hm. Der Suchlauf findet irgendwo Mother of Violence von Gabriel.
    Super. Hab ich ja seit Jahren nicht mehr gehört. Is von der zweiten Solo-LP, glaub ich.
    Fear, fear, she’s the mother of violence.
    Tolle Ballade.
     
    Bei Sener ist es voll und laut. Drei Tische sind zusammengerückt, zwischen den Stühlen stehen Sporttaschen. Die meisten haben einheitliche Anzüge an, blau-weiß mit Aufschrift, SV Türkyemspor. Sener wieselt hin und her, grüßt zwischendurch, balanciert mit gut gefüllten Tellern, lacht und erzählt laut Türkisches mit gestikulierenden Armen.
    Ayse kommt durch die Schwingtür. Ohne Schürze, bringt noch ein Essen.
    Die Fußballer werden schlagartig etwas ruhiger. Einige machen Sprüche mit Baggerblick, Ayse antwortet türkisch, Gelächter.
    Sie kommt zurück, sieht herüber, lächelt.
    »Na, wie war der Sekt?«
    »Oooch, nicht zu süß. Okay.«
    »Sag ich doch. Tschüüss.«
    Sie hebt kurz die

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