Leichensache
des Kellners Klaus Keller,
weitere Personalien bekannt,
»… außerdem war an dem Abend noch ein Harry da, dessen Nachnamen ich nicht kenne. Er fährt aber einen roten Triumph Spitfire, älteres Modell, da bin ich mir sicher …«
Es handelt sich hierbei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um Harald Gätze, 14.03.61 Sindelfingen, wh. hier, Gertenallee 14 b.
Gätze wurde aufgesucht und befragt. Er gibt an, die Gaststätte gegen 23.45 Uhr verlassen zu haben, gemeinsam mit seinem Squash-Partner Brian Portner, 11.11.69 in Southampton, wh. hier, Nelkenweg 14 (Studentenwohnheim). Portner bestätigt die Angaben des Gätze detailliert. Die Rückkehr beider Personen kurz nach 00.00 Uhr wird bestätigt. Bei Gätze durch seine Freundin Monika Bleibtreu, wh. s. o., bei Portner durch dessen Zimmergenossen Rüdiger Neuburg. Beiden Personen ist das Opfer unbekannt. Sie hatten an dem Abend keinen bewussten Kontakt zu Kerstin Baum. Die Spur ist erledigt.
Stroter, KHK
Ab ins Körbchen. Sieht nicht so aus, als ob die den im Squash-Center schon getroffen hat. Dann bleibt nur noch der Parkplatz, oder der Typ hat tatsächlich im Garten gewartet. Einen Anhalter wird die um die Zeit ja wohl nicht mehr mitgenommen haben. Es sei denn, sie kannte ihn.
Die junge Schreibkraft kommt rein, lächelt, legt zwei Vernehmungen ins Fach.
»Das waren die letzten beiden. Zurzeit habe ich auch keine Bänder mehr da liegen. Wenn es möglich ist, würde ich jetzt gerne gehen, weil, heute ist Sonntag …«
Klar doch. Ist überhaupt ein Wunder, dass die heute hier ist. Bei Frau Nolte wär das nicht drin gewesen. Sonntags um halb fünf. Die hätte uns was erzählt.
Die Fahnen der Sparkasse gegenüber hängen müde in der Sonne, lecken ab und zu einer Windböe hinterher.
Keinen Bock mehr heute. Wenn sie ihn eben erkannt hätte, wär schon nicht schlecht gewesen. Aber so in der Rückschau, bei Licht betrachtet, war die Sache so dicht auch nicht. Ist erledigt. Da lässt man sich auch gerne täuschen nach fünf Tagen ohne richtig konkretes Ding. Fünf Tage schon, langsam wird’s aber wirklich Zeit. Was haben wir denn dann noch? Die Mikrospuren. Morgen. Morgen oder Dienstag.
Fingernägel, rot, abgeblätterter Rand, Lackschaden. Hautfetzen darunter, schuppig, Grind. Eingerissenes Nagelbett, zackig, rissig. Wie Fjorde.
»Was hört ihr denn hier für ’n Kram?« Heike kommt rein, macht ein Gesicht, als hätte sie was Ekliges gegessen.
Ulla lacht gütlich. »WDR III. Mal was Klassisches, so zum Wochenende. Ein wenig Besinnlichkeit.«
»Hört sich eher nach Beerdigung an.«
»Dann passt es ja zur Stimmung.« Altenkamp blättert vornübergebeugt in der Drittakte, raucht. Heike wühlt in den Körbchen, geht zum Regal.
»Haben wir noch ’ne Durchschrift von der Hauptakte? Wollte mal ’n bisschen schmökern, auf ’ n neuesten Stand bringen. Wenn man so am Rumermitteln ist, kriegt man überhaupt nicht mehr mit, was bei den anderen so läuft.«
Ulla sieht sich um, sucht.
»Eine ist bei der Staatsanwaltschaft. Eine hat Helmut mitgenommen, und eine hat Heinz.« Heinz hebt die Hand mit der Kippe, glotzt hoch wie ein Frosch, liest weiter.
»Du brauchst die noch, hm?« Heike skeptisch. Heinz nickt. Sie nimmt sich die beiden Vernehmungen und noch ein Wurstbrot vom Schreibtisch, setzt sich, liest.
»Zapp ist der Pornoladenbesitzer, ne?« Ulla nickt, schreibt weiter. Drei Leute sitzen, lesen. Sieht komisch aus, wie ein Gemälde. Im Radio beginnt eine Brahmssinfonie, ist doch Brahms, oder? Heike mampft ihr Brot, murmelt einige Lacher, schüttelt den Kopf. Am Rand der Butterbrotdose klebt ein Rest Zwiebelwurst, riecht.
»Hast du einen Überblick, wie weit Stroter mit den Gästen aus dem ›Quick‹ ist?«
Ulla unterbricht das Lesen, blickt auf wie gestört. »Ja. Er war sich bis gestern nicht sicher, ob er alle lückenlos auf die Reihe bekommt. Bisher hatte aber jeder einigermaßen ein Alibi, auch der eine, der auf der Kippe stand.«
»Akte?«
»Zwei Mann bis jetzt. Aber keine einschlägigen Sachen. Nur Eigentumsdelikte und Betrug.«
»Und aufgefallen ist denen auch keiner? Vielleicht einer ohne Squashklamotten mit Buckel, stechenden Augen und sabberndem Mund. Und Händen wie Kuchenblechen …!«
Ulla lacht, »… und er hat beim Bezahlen das Portemonnaie liegen lassen, mit Ausweis …«
»Ja. Ja, das wär doch mal was.«
16 Uhr 30
Im Radio beginnt Adagio for Strings von Samuel Barber. Ganz schwer, ganz düster, drohend. War, glaub
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