Leichenschänder
Bemühungen wirklich zu schätzen.“
„Nichts liegt
Voll Dran!
mehr am Herzen als das Wohl der unschuldigen Tiere“, sagte ich mit Dackelblick. Noch ein bisschen Übung, und ich heuchelte so gekonnt wie ein Politiker.
„Zum Glück gibt es Qualitätszeitungen wie die Ihre, deren Aufrichtigkeit man nicht anzweifeln muss.“
„Da gebe ich Ihnen vollkommen recht“, sagte ich und fügte dann, um endlich ein bisschen Schwung in die Sache zu bringen, hinzu: „Ach ja, wo ist der Hund denn jetzt?“
„Edgar, der Butler, und ich, wir haben Tassilo im Schlafzimmer meines Mannes aufgebahrt.“
„Aufgebahrt?“
Frau H. nickte. „Ich habe schon vor längerer Zeit einen Sarg für meinen armen Tassilo anfertigen lassen. Er war ja nicht mehr der Jüngste. Aber dass er so enden musste …“ Wieder kam das spitzenbesetzte Taschentuch zum Einsatz. Ich war mir fast sicher, dass es nicht in die Waschmaschine, sondern in den Mistkübel wandern würde.
„Könnte ich ihn sehen und ein paar Fotos machen? Das wird die Leute aufrütteln und hilft uns sehr bei der Tätersuche.“
Frau H. zögerte einen Augenblick, stand dann auf und sagte: „Na gut, wenn es sein muss.“
„Es muss, Gnädigste.“
Ich schnappte meine Kameratasche und folgte der vor mir her schwebenden Seidenwolke die Treppe hinauf ins Schlafzimmer, das von dicken Brokatvorhängen und dunklen Eichenmöbeln beherrscht wurde. Das ausladende Bett besaß die Dimensionen eines Squashplatzes. An dessen vorderem Rand stand ein Tischchen mit einem schwarz glänzenden Sarg darauf, der auf einer roten, mit Goldborten geschmückten Seidendecke lag.
Ich trat einen Schritt näher, warf einen Blick in den Sarg und sah einen Dackel mit glänzendem, rotbraunem Fell.
Das war alles. Kein Blut, keine Wunden. Nicht gerade ein Motiv, das es mir ermöglichte, Fotos zu schießen, die Hubers unterirdischen Ansprüchen genügten.
Frau Heißenbüttel hatte meinen enttäuschten Gesichtsausdruck bemerkt und fragte: „Ist etwas nicht in Ordnung?“
„Na ja“, sagte ich. „Der Hund schaut so ruhig und friedlich aus.
Zu
ruhig und friedlich, verstehen Sie?“
„Nein, ich verstehe nicht“, erwiderte Frau H. eisig.
„Was glauben Sie, werden unsere Leser sagen, wenn ich von Tassilo in seinem jetzigen Zustand ein Foto mache und wir das abdrucken?“
Frau Heißenbüttel zuckte unsicher mit den Schultern.
„Sie werden sagen:
Bestialischer Tiermord? So schlimm schaut der Hund doch gar nicht aus
. Und das war’s. Kein Mensch wird sich mehr um die Angelegenheit kümmern. Aber ohne die Mithilfe der Bevölkerung, und das schließt die Leserinnen und Leser unseres Blattes mit ein, werden die Täter vermutlich nie gefunden.“
Frau Heißenbüttel war während meines Vortrags in sich zusammengefallen und sagte mit leiser Stimme: „Sie haben ja recht, aber was soll ich denn machen? Der Präparator hat ganze Arbeit geleistet.“
Eine wunderbare Idee durchzuckte mein Gehirn.
„Haben Sie Fleisch im Haus?“, fragte ich sanft und unschuldig wie ein Engel.
„Fleisch? Wie kommen Sie jetzt plötzlich auf Fleisch? Haben Sie Hunger?“ Frau H. schaute mich entgeistert an.
„Nein, aber ich habe eine Idee, wie wir den Fotos den nötigen Schuss Realität verleihen können.“
„Na gut, ich werde sehen, was sich machen lässt.“ Sie drehte sich um und rief durch die offene Schlafzimmertür: „Marie, kommen Sie bitte!“
Marie, das Dienstmädchen, flitzte heran wie ein Geist auf Rollschuhen und fragte: „Sie wünschen, Madame?“
„Was für Fleisch haben wir im Haus?“
Marie überlegte ein paar Sekunden, dann sagte sie: „Ein Kilogramm frisches Rindsfaschiertes, zwei Steaks, und ein Kilogramm tiefgefrorenes Beuschel.“
„Danke Marie, Sie können wieder gehen.“
Marie machte einen Knicks und verschwand so lautlos, wie sie gekommen war.
„Nun, Herr …“
„Breitmaier“, soufflierte ich.
„… genügt das Ihren Ansprüchen?“, fragte Frau H.
Ich nickte. „Ich brauche das Faschierte und das Beuschel, allerdings aufgetaut. Lässt sich das machen?“
„Natürlich lässt sich das machen. Aber vielleicht könnten Sie mir verraten, was Sie vorhaben?“
„Ich versuche, eine Erwartungshaltung zu befriedigen.“
„Das verstehe ich nicht.“
„Sehen Sie, unsere Leser halten umso eifriger nach den Tätern Ausschau, je grausamer die Tiere zugerichtet sind. Deshalb werde ich Ihren Tassilo ein bisschen … umgestalten, und zwar mithilfe von Fleisch.“
Frau H. war
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