Leichenschrei
er vorhat, wieder zu heiraten.«
Sie atmete tief ein und lächelte dann. »Nicht, bevor ich nicht diese blöden Scheidungspapiere unterschrieben habe, nein.«
»Verstehe. Übrigens, wie bist du eigentlich in die Sache mit Emerald Shores verstrickt?«
»Hexe!«
Ich lächelte. »Das hat dich aufgebracht, was, dass ich Emerald Shores erwähne? Vielleicht deshalb, weil es mit Laura Beals Tod in Zusammenhang steht?«
»Raus mit dir«, kreischte sie. »Und komm nie wieder durch diese Tür.«
Als die Glastür hinter mir zuschlug, sah ich noch den Schuh, den sie nach meinem Kopf geworfen hatte. Ich drehte mich um und winkte. Patsy schrie etwas, das ich nicht hören konnte.
Wenn es um Patsy Lee Jones ging, hielt das Leben doch die eine oder andere kleine Befriedigung parat.
Ella Fitzgerald drang aus den Lautsprechern, als ich die Stadt durchquerte. Ich wollte zu Daniel Jones’ Haus in der Park Street.
Soviel ich wusste, war es durchaus möglich, dass Laura auch mit ihm geschlafen hatte. Und mit Steve. Drew? Vielleicht. Womit sie wohl Patsy erpresst hatte? Da gab es nur eine Million Möglichkeiten, wenn man Patsys lange Karriere voller mieser Tricks betrachtete.
Wusste Joy von Lauras Erpressungen? Mein Bauch sagte: Ja, mein Kopf: Nein.
Ich fuhr über eine von Eichen gesäumte Straße in der Nähe der Main Street und hielt vor einem blauen Cape-Haus, das von ebenso traditionellen und einfachen Häusern flankiert wurde. Zwei große Eichen überschatteten das Haus; es war von einem Meer aus Grün umgeben. Ein handgemaltes Schild mit der Aufschrift »Willkommen bei den Jones« hing neben der Tür. Ich überlegte, wann wohl Mrs Jones gestorben war.
Das Haus sah aus, als wohnte seit Langem jemand darin, und wenn ich tippen sollte, würde ich sagen, dass Daniel seine Braut nach ihrer Heirat hierhergebracht hatte und seither hier wohnte. Das sagte mir, dass der frühere Gouverneur keine Extravaganzen nötig hatte, um zu betonen, wie wichtig er war.
Ich klingelte, und drinnen schlug ein Hund an, doch niemand machte auf. Also fuhr ich zur Autohandlung der Familie in der Grand Street.
Wenn überhaupt, dann war die Geschichte um Laura Beal noch rätselhafter geworden. Wer war sie? Eine Künstlerin, eine Macherin, eine Unangepasste, die Gutes tat, Hanks Geliebte. Aber auch jemand voller Geheimnisse, der andere erpresste. Ein vielschichtiger Mensch, wie wir alle. Die Frage war, was davon ihren Tod verursacht hatte.
Es war fast zwei. Mir blieb noch genug Zeit, bei Taco Bell einen Burrito zu verdrücken und mit Daniel zu sprechen, bevor ich um drei Everett Arnold anrief, auf dessen Mac ich meine Fotos herunterladen wollte.
Ich fuhr auf den Parkplatz vor der Jeep/Chrysler-Niederlassung und parkte unter einem metallenen Vordach neben dem Eingang zum Wartungsbereich. Einen Moment lang saß ich nur da und ordnete meine Gedanken.
Wenn Daniel mit Laura geschlafen hatte, hätte ihr das Einfluss auf ihn verliehen. Insbesondere, da Daniel und Dr. Cambal-Hayward etwas miteinander hatten.
Daniel hatte auf mich warmherzig und aufrichtig gewirkt. Nicht viel anders als der fünfundsechzigjährige Lehrer, der seine zwanzigjährige Geliebte ermordet hatte. Ich hatte mich um die Familie dieses Mädchens gekümmert und um zu viele andere vereinsamte Seelen, als dass ich noch etwas auf den ersten Eindruck geben würde, den ein Mensch machte. Das war Teil des Geschäfts.
Aber es war auch zweifelhaft, ob ein Mann in Daniel Jones’ Alter mit seinen körperlichen Gebrechen und seinem Temperament die Kraft und den Willen gehabt hätte, wieder und wieder auf Laura Beal einzustechen.
Die Fahrertür wurde aufgerissen.
»Was zum …«
Ich wurde von einem Mann mit einer Partymaske grob vom Sitz gezerrt. Er schleuderte mich gegen die Wand, und die Welt um mich wurde schummrig. In meinem Kopf explodierten grelle Blitze.
Ich wollte nach ihm greifen, doch er hielt meine Hände fest. Wieder rammte er mich gegen die Wand aus Stein. Galle stieg in mir hoch, und mein Magen krampfte sich zusammen, als ich die Alkoholfahne des Mannes roch.
»Lass sie in Ruhe«, lallte er. »Oder ich zeig’s dir.«
Ich hörte im Geiste Kranaks Stimme, riss das Knie hoch und traf.
»Aaaaau!«
Sein Griff lockerte sich, und ich riss meinen Körper herum, um meine Hände freizubekommen, doch es wollte mir verdammt noch mal nicht gelingen. Seine Hand umklammerte meine Kehle und drückte zu.
Ich schnappte nach Luft. Ich versuchte es noch einmal mit dem Knie, traf daneben
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