Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Leichenschrei

Titel: Leichenschrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vicki Stiefel
Vom Netzwerk:
sie hat den Vater bewusst ausgewählt. Für wen könnte sie sich wohl entschieden haben, Hank?«
    »Verdammt, weiß ich doch nicht. Jedenfalls nicht für mich!«
    »Hättest du dir gewünscht, es zu sein?«
    »Nein«, grollte er.
    »Bist du sicher?«
    Seine Kiefermuskeln spannten sich. »Nein, bin ich nicht, verdammt noch mal.«
    Ich ließ die Worte für eine Minute im Raum stehen, dann sagte ich sanft: »Warum hast du dich von ihr getrennt, Hank?«
    Er seufzte und rollte mit den Schultern, als wolle er einen vertrauten Schmerz abschütteln. »Wir hatten ein gemeinsames Leben geplant – wir wollten Kinder haben, ein Haus bauen. In jener Nacht hat es geregnet. Ich hatte vorgehabt, bis spät zu arbeiten. Papierkram. Aber dann sagte ich mir, was soll’s, und bin zu ihr gefahren. Ich habe sie und Steve beim Vögeln ertappt. Sie hat mich angefleht zu bleiben, hat geheult, war hysterisch. Meinte, sie hätte nicht anders gekonnt. Dass es nur ein One-Night-Stand gewesen sei.«
    Ich legte eine Hand auf seine. »Daran war doch was faul.«
    Er lächelte auf seine ironische, liebenswerte Art. »Ja, das dachte ich auch. Das Komische war aber, dass ich ihr geglaubt habe. Was mich aber nicht davon abgehalten hat, sie zu verlassen.«
    Wie es aussah, näherten wir uns dem Ende der Straße. Vor uns standen hohe Gräser, Erlenbüsche und eine Reihe von Kiefern.
    Hank bog nach links ab, und wir ruckelten über einen Feldweg, der von dem hohen Gras gesäumt war.
    »Everett Arnold legt wohl Wert auf Privatsphäre«, sagte ich.
    »Das tut er.«
    »Hast du Steve zur Rede gestellt?«
    »Nein. Steve kam am Tag danach zu mir. Entschuldigte sich, war völlig zerknirscht. Hat keine Ausflüchte gemacht. Ich wusste, dass Laura ihn irgendwie geködert hatte. Steve schämte sich fürchterlich, insbesondere, weil sein Herz eigentlich Annie gehört. Und das schon seit Jahren.«
    »Wo war Steve in der Nacht, als ich Drew an der Straße aufgelesen habe, also der Nacht von Lauras Ermordung?«
    »Ich habe mich umgehört. Steve zufolge war er noch spät wegen eines Auftrags in Calais und hat dann die Nacht in seinem Camper verbracht. Bis sieben Uhr abends ist alles nachprüfbar.«
    »Also hatte er Zeit zurückzufahren, um Laura zu töten.«
    »Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass er Annies Schwester wegen einer einmaligen Sache getötet hat.«
    »Was, wenn er der Kindsvater war?«
    Hank antwortete nicht.
    »Nach allem, was ich gestern gesehen habe«, fuhr ich fort, »weiß Steve nicht, dass Annie Drew heiratet.«
    »Wenn er Noah nicht erwürgt hat, als er aus deiner Tür gegangen ist, dann nicht.«
    »Steve wird versuchen, das zu verhindern. Und ich auch. Ich glaube nicht, dass sie Drew heiraten will. Das hat nur mit Noah, dem Land und ihren Schuldgefühlen zu tun.«
    »Halt dich da raus, Tally. Annies Gefühle für Drew reichen weit zurück.«
    »Das weiß ich. Aber sie ist meine Freundin. Außerdem sagt mir meine Ausbildung als Psychologin, dass sie sich wegen Drews Krankheit zu ihm hingezogen fühlt. Nicht aus Liebe. Und das ist kein Grund, jemanden zu heiraten.«
    »Herrgott, Tally. In wie viele Dinge willst du dich denn noch einmischen, bevor du dir die Finger verbrennst? Hm?«
    Wieder bog er nach links ab, und ein ausgebleichtes Cape-Haus kam in Sicht. Es stand geduckt auf einer Klippe über einer kleinen Bucht. Wäsche wehte an der Leine, auf dem Wasser tanzten Schaumkronen, und Wildrosen wiegten sich im Wind. Als wir in die Einfahrt einbogen, erhob sich der schlaksige braune Hund, der auf der Veranda gelegen hatte, und bellte.
    Hank streckte seinen Arm hinter mir auf dem Sitz aus. »Alles, was wir haben, sind ein paar Ansätze. Verwirrende Ansätze. Vielleicht helfen uns deine Fotos ja weiter.«
    »Mal abgesehen von Chip weißt du für jeden, den ich aufgezählt habe, einen Grund, warum er Laura nicht getötet haben kann.«
    Er fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. »Diese Sache macht mich noch verrückt. Und du hast ebenfalls für alle Ausreden, auch für Vandermere. Du willst den Mörder auch nicht finden.«
    »Das stimmt.«
    »New York war hässlich und boshaft, aber wenigstens hatten die Killer da keine Gesichter, die ich den Großteil meines Lebens kannte.«
    Ein etwa fünfzigjähriger Afroamerikaner in Chinos und Jeanshemd öffnete die Tür und winkte.
    »Auf geht’s«, sagte ich. »Lass uns ein paar Fotos runter-laden.«

30
Streicher
    Mrs Arnold, eine strahlende Frau mit Schürze und noch kräftigeren Händen als meinen,

Weitere Kostenlose Bücher