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Leichenschrei

Titel: Leichenschrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vicki Stiefel
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ich.
    Aber das war ganz und gar nicht sicher, und wir beide wussten es.
    Am nächsten Morgen wachte ich völlig erschöpft von meinen surrealen Träumen auf, die mich in eine schlechte Stimmung versetzten. Aus schmerzlich eindeutigen Gründen hatte Annie in meinen Träumen Pie gegessen und dazu Gary Pinkham als Tisch benutzt, Steve Sargent hatte Joy Sacco beim Tanzen herumgewirbelt, und Hank hatte mit meiner früheren Sekretärin geschmust, die in Wirklichkeit mit meinem Ex-Mann durchgebrannt war. Kein Wunder, dass Mr FedEx mich leicht besorgt ansah, als er mir den Umschlag des Fotolabors überreichte.
    Ich riss den Umschlag auf und verteilte die Bilder von Lauras Wandmalereien auf dem Couchtisch. Es waren zwei Abzüge von »Aragorn« und »Arwen« dabei.
    Ich hielt den Atem an, als ich beide in das frühmorgendliche Licht hielt.
    Oh Gott. Aragorn trug Drew Jones’ Gesichtszüge. Nicht die jetzigen, von Krankheit gezeichneten, sondern die schönen, zuversichtlichen Züge eines Mannes im besten Alter, bevor sie von der Krankheit zerstört worden waren.
    Drew und Laura.
    Ich blickte hinaus aufs Meer und spürte den beruhigenden Rhythmus der Wellen. Ich musste nachdenken, meine Wahrnehmung dessen neu bewerten, was ich wusste, zu wissen meinte und was real war.
    Drew Jones war Streicher – Laura Beals Liebhaber und der Vater ihres Kindes. Aber ja doch. Laura würde niemanden wie Gary Pinkham auswählen, sondern jemanden wie Drew, intelligent, gut aussehend und bedeutungsvoll. Jemanden mit Ausstrahlung.
    Ich lehnte die Stirn gegen das kühle Glas. Aber einen Mann mit einer Erbkrankheit? Einer Krankheit, die mit fünfzigprozentiger Wahrscheinlichkeit auf ihr Kind vererbt wurde?
    Vielleicht hatte sie nichts von der Chorea Huntington gewusst. Aber sie musste es gewusst haben.
    Warum hatte sie es getan? Laura war klug, mutig, selbstsicher … und eigensinnig, ein Kontrollfreak, zu allem entschlossen. Hatte sie zu Selbsttäuschungen geneigt? Sicher. War sie eifersüchtig auf ihre Schwester gewesen? Unbedingt.
    Was für eine Frau. Sie hatte es drauf ankommen lassen. Es einfach getan. Oder hatte sie vielleicht vorgehabt, das Kind abzutreiben, falls es das Huntington-Gen in sich trug? Eine Fruchtwasseruntersuchung hätte das vielleicht klären können. Oder Laura war überzeugt gewesen, dass es möglich war.
    Penny jaulte. Ich bemerkte, dass ich sie weder hinausgelassen noch ihr zu fressen gegeben hatte. Ich holte beides nach, während meine grauen Zellen auf Hochtouren liefen.
    Hatte Laura Drew hereingelegt, damit er sie schwängerte? Oder hatte Drew die Affäre angefangen? Es war egal. Um ihn in Sachen Emerald Shores erpressen zu können, hatte Laura etwas Entscheidendes gegen ihn in der Hand gehabt: Annie. Sie hatte Drew damit gedroht, Annie zu erzählen, dass er der Vater ihres Kindes war. Also hatte er sich auf den Deal eingelassen. Dann hatte Laura es zu weit getrieben. Nicht schwer, sich das bei ihr vorzustellen. Und Drew, der ihre Intrigen satthatte, war aus dem Projekt ausgestiegen. Aber vielleicht hatte sie ihn noch einmal überredet, ein Mal zu viel. Und da hatte er sie umgebracht.
    Diesen letzten Punkt … Das war immer noch unvorstellbar. Unmöglich.
    Aber ich wusste, wer die Antwort darauf hatte.
    Penny erschien vor der Terrassentür, und ich ließ sie ein. »Hier ist dein Fresschen. Und dann machen wir einen Ausflug, Mädchen.« Ich kraulte sie hinter den Ohren.
    Dann schnappte ich meine Tasche und machte mich auf den Weg zu Drew.

31
Hat noch jemand nicht genug?
    Ich lud Penny in den Truck und wollte den Motor anlassen. Aber der wollte nicht anspringen. Verdammt! Ich versuchte es erneut, hörte die Batterie langsamer und langsamer werden. Ich stieg aus und schlich ums Auto.
    Ich hatte das blöde Licht angelassen.
    Ich lehnte mich mit dem Hintern gegen einen Kotflügel. Nein. Ich hatte das Licht nicht angelassen. Sogar mit den monstermäßigen Kopfschmerzen und der schlechten Laune von gestern Abend hätte ich das nervige Schrillen beim Öffnen der Autotür gehört.
    Ich war nicht sicher, ob ich das Licht an meinem Wagen überhaupt anlassen konnte, wenn der Motor aus war. Da hatte jemand nachgeholfen.
    Ich zog mein Shirt über die Hand – wegen der Fingerabdrücke oder auch der Paranoia – und machte das Licht aus. Dann umrundete ich den Truck auf der Suche nach einem Hinweis. Keine Kippen, keine Bonbonpapiere, keine Streichholzbriefchen mit Werbung. Aber in einem der Büsche flatterte ein weiteres dieser

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