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Leichenschrei

Titel: Leichenschrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vicki Stiefel
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nicht.
    Schwer zu glauben, dass ich vor knapp einer Woche einen Fremden und seinen Hund aufgelesen hatte. Morgen Abend würde Laura Beal eine Woche tot sein. Und in etwas weniger als zwei Wochen würde ich zurück nach Boston fahren.
    Ich kraulte Penny an der Schnauze und wurde im Gegenzug abgeschleckt. »Was machen wir jetzt, Pens?«
    Ich hielt bei einem kleinen Lebensmittelladen mit warmer Theke an. Doch obwohl ich gar zu gern die Pancakes gegessen hätte, entschied ich mich für einen Müsliriegel und einen Tomatensaft. Als ich wieder im Auto saß, überließ ich meinen Händen die Führung und fand zu Laura Beals Privatadresse. Ich brauchte nicht mal eine Karte.
    Der Morgennebel hatte sich noch nicht ganz aufgelöst und hing in Fetzen über der Straße. Ich fuhr langsam und grübelte darüber nach, wie ich in Laura Beals Haus gelangen konnte. Ich fragte mich, wer wohl Annie verfolgen könnte und ob die ganze Familie in etwas verwickelt war, das ein verzweifelter Mensch zu beenden versuchte. Einige Minuten später kam ich zu Bryer’s Farm und bog nach links in die CC Road ein.
    Ich fuhr durch sanft gewellte Hügel, vorbei an einer Farm, die man in protzige Wohngebäude umgewandelt hatte, und kam zu einem Kiefernwäldchen, wo ich beim Anblick von Lauras blaugrünem Briefkasten nach rechts abbog. Ich fuhr einen langen Waldweg entlang, der mich auf eine Wiese ausspuckte, die mit rosa, gelben und lila Wildblumen gepunktet war. Neben einem Felsvorsprung stand Lauras kleines Heim.
    Es war weiß mit lavendelfarbenen Fensterrahmen, hatte ein spitzes Dach, eine Veranda und eine weiße Sonnenterrasse, die um zwei Seiten lief. Blumenbeete waren um den Felsvorsprung angelegt worden und rahmten den Fußweg ein. Man sah ihnen das Verschwinden ihrer Gärtnerin nicht an, und Schaukelstühle aus weißem Korbgeflecht luden die Gäste zum Entspannen und Plaudern ein.
    Trotz ihrer charmanten Ausstrahlung waren das Haus und der Grund von einer Aura der Trostlosigkeit umgeben, als wüssten sie, dass ihre Besitzerin nie zurückkehren würde.
    Penny und ich gingen die Holzstufen hinauf. Ich klopfte und erhielt, wie erwartet, keine Antwort. Ich umrundete das Haus auf der Suche nach einem offenen Fenster.
    Ich wollte wirklich nicht einbrechen, aber ich wusste, dass ich Lauras Heim sehen musste. Aus Angst und Sorge um Annie war ich ruhelos und verzweifelt.
    Ich dachte an Joy und ihre Freundschaft mit Laura. Was, wenn der Mörder auch gegen Joy Sacco etwas im Schilde führte?
    Auf der Wiese teilte sich ein Stück Gras, und hervor kam eine orangefarbene Katze. Sie musterte mich kurz und bog dann den Kopf zu Penny, die sich vorbeugte und an ihr schnüffelte.
    Ich warf einen Blick auf das Halsband der Katze und kraulte sie dann am Kinn. »Tigger, hm? Dann bist du wohl Lauras armes Kätzchen. Wie wär’s, wenn ich dich mit zu mir nehme? Einverstanden?«
    »Mrrrr.« Penny bekam einen weiteren liebevollen Nasenstupser.
    Im Haus klingelte das Telefon, dann erklang die Ansage einer Frau, und anschließend sprach ein Mann etwas aufs Band, das ich gar zu gern gehört hätte.
    Ich holte meine American-Express-Karte hervor, weil ich Lauras Haustür damit öffnen wollte – etwas, das ich nie zuvor versucht hatte.
    Ich kam mir lächerlich vor.
    »Wollen Sie etwa die Tür aufbrechen?« Lautes weibliches Lachen verscheuchte Tigger.
    »Sie haben der Katze Angst gemacht«, rief ich voller Entrüstung, um meine Schuldgefühle zu überspielen.
    Jemand kam hinter einer großen Kiefer hervor, jemand mit wippenden Zöpfen, einem Overall und Nickelbrille. Carmen.
    »Ich grüße Sie, Miss Cavasos«, sagte ich. »Das hier ist Penny.«
    Carmen kam näher. »Sie haben zu viele Sherlock-Holmes-Filme gesehen.«
    »Inspector Morse, bitte schön.«
    Sie trat zu mir auf die Veranda. »Wenigstens haben Sie Geschmack.«
    »Sind Sie mir gefolgt?«
    Sie verdrehte die Augen. »Also, wirklich. Ich wohne ein Stück weiter oben in derselben Straße. Man kann über die Wiese gehen. Ich wollte Tigger holen. Ich hab’s noch nicht geschafft, ihn zu kriegen, also hab ich ihn hier draußen gefüttert. Vielleicht können Sie mir ja helfen, ihn einzufangen, wenn Sie mit dem Rumschnüffeln fertig sind.«
    »Rumschnüffeln?«
    Carmen musterte mich aus zusammengekniffenen Augen. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie was klauen wollten.«
    Ich schluckte die Entgegnung hinunter. Ich wollte, dass wir Freunde wurden, keine Sparringspartner. »Wollen Sie die Wahrheit? Ja. Ich schnüffele.

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