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Leichenschrei

Titel: Leichenschrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vicki Stiefel
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getrocknete Pinsel neben der Staffelei, der doch eigentlich in das Glas mit dem Terpentin gehört hätte. Vielleicht hat der Mörder sie ja beim Malen überrumpelt.«
    Sie verlagerte ihr Gewicht. »Möglich. Aber Sie sehen ja an dem Durcheinander, was für ein unordentlicher Mensch Laura war.«
    »Annie war ja mit den Gewohnheiten ihrer Schwester vertraut. Sie wird das wissen.«
    »Lassen Sie sie in Ruhe. Die Cops haben ihr schon zugesetzt. Sogar Hank war da. Sie hat genug um die Ohren.«
    »Mann, Sie sind ja bloß auf Streit aus. Annie muss einfach erfahren, was mit ihrer Schwester passiert ist. Statt ihr noch mehr wehzutun, wird ihr das über ihren Schmerz hinweghelfen.«
    Carmen wandte sich ab, aber ich sah noch, dass sie mir den Stinkefinger zeigte. Sie war richtig sauer. Es hatte keinen Sinn, das jetzt weiter zu verfolgen.
    »Wissen Sie, ob die Polizei ihren Laptop hat?«, fragte ich.
    »Woher wollen Sie wissen, dass sie einen hatte?«, entgegnete Carmen.
    »Na, mit dem Sender und allem, da hatte sie sicher einen.«
    »Da müssen Sie Hank fragen. Aber es stimmt schon, sie hatte immer und überall einen dabei. Haben Sie jetzt genug im Dreck gewühlt?«
    Ich verbiss mir eine obszöne Entgegnung und griff stattdessen nach der Keramikschüssel, auf der »Tigger« stand.
    »Dann wollen wir mal, oder?« Carmen stopfte sich Katzenspielzeug in die Overall-Taschen.
    »Ich dachte, wir könnten vielleicht noch einen Kaffee trinken. Ein bisschen reden.«
    Sie lächelte freundlich, zog die Augenbrauen hoch und legte eine Hand auf den Türknauf. »Ich kann nicht. Werde im Restaurant gebraucht.«
    Auf der Veranda nahm ich Tigger hoch und reichte ihn an Carmen weiter.
    »Ich komme wieder im Restaurant vorbei«, sagte ich.
    »Machen Sie das.«
    Komisch, aber Ihre Worte klangen alles andere als einladend.

17
Hat mal jemand Feuer?
    Zwischen mir und meiner ehemals besten Freundin Carmen stand es eindeutig nicht zum Besten. Als Bilanz meiner Mission in Winsworth kam bisher nur das Wort trostlos infrage. Ein brutaler Mörder trieb sich herum. Ich hatte kaum etwas über meinen Dad und die Nacht, in der das Feuer ausgebrochen war, herausgefunden. Ich hatte absolut nichts über den geheimnisvollen Anrufer erfahren. Und ich hatte den Verdacht, dass Hank mir die Ergebnisse von Lauras Obduktion vorenthielt. Was verbarg er noch vor mir? Diese Frage piesackte mich ganz besonders.
    Ich nahm eine Tasse Kaffee und das Handy mit auf die Veranda. Dort legte ich die übereinandergeschlagenen Füße auf das Geländer. Hätte ich mich doch nur entspannen können. Ich kreiste mit den Schultern und verwünschte all meine Probleme.
    Mann, was war das schön hier. Winsworth war wie eine raffinierte Sucht, die zu überwinden mir schwerfallen würde. Es war echt cool, den Typ an der Tanke und das Mädel von der Post zu kennen und mir so vorzukommen, als sei ich Teil dieser Kleinstadt. Vielleicht sollte ich es das »Kleine Fische, kleine Teiche«-Syndrom nennen und beim nächsten Psychologentreffen vorstellen. Vielleicht aber war gerade das verantwortlich für Lauras Tod – dieser Komfort, diese Sicherheit.
    Boston dagegen war geschäftig, chaotisch und distanziert zugleich. Da fiel es nicht schwer, anonym zu bleiben, so viel war sicher. Meine Stadt fehlte mir nach wie vor, genau wie Kranak, Gert und Veda. Und die Arbeit fehlte mir, der tägliche Input.
    Ich war mir nicht sicher, ob ich wusste, wie man abschaltet, auch nicht von der Arbeit.
    Ich wählte Kranaks Durchwahl bei den Crime Scene Services in Boston.
    »Kranak.«
    »Hi!«, sagte ich. »Hätte gar nicht damit gerechnet, dass du drangehst.«
    »Wofür brauchst du mich, Tal?«
    »Wie nett. Wir haben seit Tagen nicht miteinander gesprochen, und du bist gleich so mürrisch.«
    »Genau. Wie mir scheint, vergisst du allmählich, wer deine Freunde sind.«
    »Ha, ha. Hier hat es einen Mord gegeben. Ich wünschte, du wärst hier bei mir.«
    Kranak grunzte. »Also, was brauchst du?«
    »Bist du nicht mit einem Typen aufs College gegangen, der jetzt beim Leichenbeschauer von Maine arbeitet?«
    »Wie kannst du dich nur an so ’n Mist erinnern?«
    »Weil ich dich liebe. Ich brauche den Obduktionsbericht einer gewissen Laura Beal. Sie ist vor etwa einer Woche ermordet worden. Ich weiß, dass sie mit ihr fertig sind, weil der Leichnam zurück in Winsworth und zur Beerdigung freigegeben ist.«
    »Nur dies eine Mal: Halt dich da raus.«
    »Geht nicht. Das Mordopfer ist die Schwester einer alten Freundin von

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