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Leichenschrei

Titel: Leichenschrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vicki Stiefel
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noch nicht«, rief Hank über den Wind hinweg, während wir den Pfad hinaufkletterten. »Ich muss gleich zu ihnen.«
    »Natürlich«, sagte ich.
    Ein Blitz schlug in einer Kiefernschonung zu meiner Linken ein. Der stechende Geruch von Schießpulver und verbranntem Holz drang mir in die Nase. Na toll. Ich beeilte mich, den Hang hinaufzuklettern. Die Luft roch nach Ozon und Regen, und dann wurde ich von einem Vorhang aus Wasser geblendet. Der Pfad verwandelte sich in eine Skipiste aus Schlamm. Ich kletterte, aber meine Feinstrümpfe machten die Sache noch schwieriger. Ich begann zu rutschen, spürte eine Hand auf meinem Po und dann eine im Rücken. So schafften wir es nach oben. Dann lag ich halb auf der Kante und hievte mich förmlich darüber.
    So viel zu meinem besten Leinenkleid.
    Ich kam auf die Füße, und Hank hielt meine Hand, während wir zum Auto rannten.
    Hank drehte die Heizung voll auf. Um uns herum ließen die Detectives und der Doktor ihre Wagen an und brachen auf. Chips Leichenwagen war schon lange fort. Mein bestens ausgestatteter Mr Pfadfinder reichte mir ein Handtuch. Sein tropfnasses Gesicht war zu einem breiten Grinsen verzogen.
    »Sagen Sie bloß nichts«, knurrte ich.
    »Würde mir nicht einfallen, Ma’am.«
    »Gut.« Ich bändigte mein Haar mit einem Haargummi. »Es wäre gut, wenn Sie dabei sein könnten, wenn ich mit Joy und ihrem Mann spreche.«
    »Was?«
    »Ich habe sie getroffen, und ich kenne Joy ein bisschen, aber Sie kennen die beiden noch viel besser. Es wäre gut, ein tröstliches Gesicht zu haben, wenn ich mit ihnen über Garys Tod spreche. In Boston haben wir während des ersten Gesprächs immer einen Detective mit dabei.«
    »Erst nicht mit Annie Beal reden wollen, und jetzt jedermanns beliebteste Beraterin, wie geht denn das?« Er drehte das Gebläse im Wagen auf.
    »Was soll der Sarkasmus?« Ich wischte das beschlagene Fenster ab.
    »Nichts. Wollen Sie das, weil Gary Selbstmord begangen hat?«
    In dem Versuch, meine Verzweiflung wegzupusten, atmete ich tief aus. »Gerade habe ich Ihnen doch auseinandergesetzt, warum ich von einem Mord ausgehe. Hatten Sie nicht gesagt, Gary wäre ein ziemlicher Waschlappen?«
    Er kniff die Augen zusammen. »Auch Waschlappen töten, wie Sie selbst gesagt haben.«
    »Natürlich, aber …«
    »Jetzt reden Sie schon wieder so von oben herab mit mir.«
    Ich fuhr herum und sah ihn an. »Nein, mache ich nicht.«
    »Quatsch mit Soße. Sie halten mich doch für einen Provinz-Cop, der nichts erlebt hat und nicht rumgekommen ist. Irgendeinen Trottel, der von Tuten und Blasen keine Ahnung hat und erst recht nicht vom Thema Mord, und der natürlich auch nicht weiß, worauf er bei den Ermittlungen überhaupt achten soll.«
    »Wie zum Teufel kommen Sie darauf?«
    »Schauen Sie mal in den Spiegel, Lady.«
    Ich kochte. »Ist Ihnen schon mal klar geworden, dass so ein Waschlappen sehr viel zurückhaltender ist, wenn es darum geht, das eigene Leben zu beenden?«
    Hank blickte grimmig drein. »Da spricht die weise Psychologin.«
    »Verdammt noch mal, Hank. Warum tun Sie das? Warum verhalten Sie sich so? Nur, weil ich mit den Saccos reden will? Ich glaube, dass ich ihnen helfen kann.«
    Hank sah mich an, und sein Blick wurde noch finsterer. Ganz wie bei dem kleinen Henry Cunningham, als ich mich weigerte, mit ihm auf den Schulball zu gehen. »Wie wär’s, wenn Sie mal vor der eigenen Haustür kehren, Miss Tally.«
    Er hatte recht. Ich war nach Winsworth gekommen, um etwas über meinen Dad herauszufinden, nicht um als Beraterin in Trauerangelegenheiten zu arbeiten. Ich hatte noch längst nicht genug über die Geschäfte meines Vaters in dieser Stadt erfahren. Stattdessen war ich in die Ermittlungen zu einem Mord verwickelt, von dem ich glaubte, dass daraus inzwischen zwei geworden waren.
    »Vor meiner eigenen Haustür?«, sagte ich. »Das tue ich. Das ist meine Haustür.« Ich öffnete die Tür und rannte zu meinem eigenen Truck.
    Hank stieß zurück, wendete in drei Zügen und schoss dann durch das offene Tor des Steinbruchs. Der Pontiac hob ab und setzte hart wieder auf. Was zum Teufel war aus dem Mann mit dem Schneckentempo geworden?
    Ich raste mit meinem Geländewagen hinterher.
    Als ich die Bangor Road erreichte, stand Hanks Wagen im Leerlauf neben einem Stoppschild. Dicke Regentropfen prallten von der Motorhaube ab. Das Beifahrerfenster war halb heruntergelassen.
    Ich fuhr neben ihn und ließ mein Fenster herunter. »Hank, ich …«
    »Also gut, Ma’am, ich

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