Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Leichenspiele: Ein Max-Broll-Krimi (German Edition)

Leichenspiele: Ein Max-Broll-Krimi (German Edition)

Titel: Leichenspiele: Ein Max-Broll-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Aichner
Vom Netzwerk:
weinte, egal, wie viel Angst sie hatte, wie viele Träume.
    Tilda schrie um Hilfe, doch man hörte sie nicht. Tilda blieb. Tilda kümmerte sich um die Leichen aus dem Supermarkt. Tilda machte die Tür zu.
    Gestern Abend.
    Wie Max vor dem Obduktionssaal stand, allein. Wie es brannte in ihm, weil er wissen wollte, was vor sich ging, was mit den beiden Toten passiert war. Am liebsten hätte er die Tür aufgerissen und wäre in den Saal gestürzt, am liebsten wäre er durch die Wand gesprungen, durch den Türschlitz gekrochen. Er wollte wissen, was sie redeten, was sie auf den Leichen gefunden hatten, wie lange es dauern würde, bis die DNA-Abgleiche gemacht waren, Max wollte alles wissen. Im Keller der Gerichtsmedizin einfach nur zu warten, machte ihn wütend, unruhig. Er zögerte, er wollte bleiben, er musste gehen. Wenn Tilda wieder herauskam, musste er weg sein. Zumindest durfte sie ihn nicht sehen.
    Er hörte sie. Wie sie sich verabschiedete. Wie sie fluchte, er hörte, wie Tilda der Tür näher kam, Max rührte sich nicht. Er stand still an die Wand gelehnt, er wollte nichts berühren, er wollte weglaufen, er drehte sich um und riss die Kühlkammertür auf. Ohne nachzudenken drängte er seinen Körper gegen die kalte Wand und schloss die schwere Eisentür. Es war dunkel, aber er hatte gesehen, wo die Bahren lagen, wie nah sie ihm waren.
    Dunkel. Stille. Keine Bewegung, nur flaches Atmen und die Kälte. Vielleicht fünf Grad, oder weniger. Eine Kühlkammer für Leichen, ein Versteck für Max, so lange, bis die Stimmen verschwunden waren, so lange, bis Tilda weg war, und länger. Max wollte warten, bis Tilda verschwand, er wollte mit der Obduktionsassistentin sprechen, sie würde ihm vielleicht weiterhelfen, sie würde vielleicht reden. Er kannte ihr Gesicht, er hatte sie schon einige Male gesehen, im Vorübergehen, vielleicht konnte sie ihm helfen. Mit wem sollte er sonst sprechen, was sollte er sonst tun. Dass er in einem Kühlschrank mit Leichen stand, war die logische Konsequenz aus allem, was in den letzten beiden Monaten passiert war. Dass es absolut verrückt war, was er tat, war ihm egal. Darüber nachzudenken, warum sein Leben nicht gewöhnlich und einfach sein konnte, war sinnlos. Dass er es wieder einmal geschafft hatte, sich in eine ausweglose Situation zu bringen, überraschte ihn nicht. Sein Leben war so. Höhen und Tiefen. Wie hoch er steigen konnte und wie tief fallen. Er kannte das. Und wie sehr er sich dabei spürte. Wie lebendig er sich dabei fühlte. Egal, ob es Angst machte, ob es weh tat, ob es nach Tod roch. Er lebte. Er lag auf keiner Bahre, verpackt in einem Plastiksack. Er lebte. Er spürte die Kälte in seinem Gesicht. Er konnte seine Finger bewegen, er konnte seine Augen auf- und zumachen. Egal, was außerhalb des Kühlschrankes passierte, er würde einen Weg finden, damit umzugehen, er würde weiterleben, alles andere würde seinen Lauf nehmen, die Welt würde sich einfach weiterdrehen.
    Was passieren sollte, würde passieren.
    In der Kühlkammer wählte er Baronis Nummer zum ersten Mal. Doch da war nur das Freizeichen. Bis vor fünf Minuten kein Lebenszeichen von seinem Freund.
    Jetzt seine Stimme wieder am Telefon.
    – Was ist dann passiert, Max?
    – Ich bin in den Obduktionssaal.
    – Und?
    – Unsere beiden Freunde lagen auf den Tischen.
    – Sie haben dich nicht rausgeworfen?
    – Nein.
    – Was dann, Max, erzähl schon, bitte.
    – Da war nur noch die Obduktionsassistentin, eine Griechin. Sie war gerade dabei, deinem Freund das Gehirn zurück in den Kopf zu stecken.
    – Meinem Freund?
    – Deinem Einkaufswagenpiloten.
    – Sie haben ihm das Gehirn entnommen?
    – Das ist Standard, Baroni.
    – Standard?
    – Genau, die schauen sich alles genau an. Organe, Blut, Gewebe, Gehirn.
    – Und das hat dir die Griechin erzählt?
    – Sie heißt Leftera.
    Sie hat Max angestarrt, dann hat sie gesagt, er solle die Tür zumachen und zu ihr kommen. Leftera Ermopouli, Prosekturgehilfin. Ihre Stimme war wie ihr Gesicht, tief und ungewöhnlich, ihre Nase markant, die großen Augen, die hohe Stirn, ihr breites Kinn, der Mund. Max schaute sie an, seine Augen flüchteten zu ihr, er wollte nicht sehen, wie sie die Kopfhaut über der Schädelplatte zusammenzog. Wie sie nähte. Wie sie mit der großen Nadel durch die Haut stach. Max schaute Leftera an. Wie ihr Mund auf- und zuging.
    – Was willst du hier?
    – Ich dachte, du kannst mir weiterhelfen.
    – Wobei?
    – Das ist nicht ganz einfach.
    – Du

Weitere Kostenlose Bücher