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Leichenspiele: Ein Max-Broll-Krimi (German Edition)

Leichenspiele: Ein Max-Broll-Krimi (German Edition)

Titel: Leichenspiele: Ein Max-Broll-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Aichner
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sie mit ihrem Finger über die Wangen der Leichen strich. Wie Max zu vergessen begann, dass die Körper am Tisch ohne Leben waren, tot waren. Er war fasziniert von Leftera. Eine Frau wie sie kannte er nicht, Leftera war wild und ungebremst, sie war schnell, sie überrannte ihn, sie brachte Max schließlich sogar dazu, die Nadel in die Hand zu nehmen und in den Brustkorb der weiblichen Supermarktleiche zu stechen. Er überlegte nicht, er tat es einfach. Sie hatte ihn wieder gefragt, sie hatte ihn mit einem schelmischen Grinsen gedrängt, ihn herausgefordert, ihm die Chance zu geben, etwas absolut Ungewöhnliches zu tun. Noch etwas.
    Keine Angst, sagte sie.
    Verdammter Scheißdreck, sagte Max und tat es einfach.
    Er wusste nicht warum, aber er stach die Nadel in die tote Haut. Wie Leder war sie, härter, als er gedacht hatte, zäher. Den Ekel, den er beim Anblick des offenen Brustkorbs empfunden hatte, schluckte er hinunter. Er stellte sich einfach vor, er würde einen alten Stoffteddybär flicken, er würde in Stoff stechen, nicht in Haut, er redete sich ein, dass es völlig normal sei, was er tat, wozu sie ihn gebracht hatte. Drei Stiche, vier. Sie zeigte ihm, wie er es machen musste.
    – Sehr gut.
    – Warum mache ich das hier eigentlich?
    – Weil du mich beeindrucken willst.
    – Will ich das?
    – Ja.
    – Blödsinn.
    – Es ist mir egal, dass du etwas mit den Toten zu tun hast.
    – Was habe ich?
    – Du hast sie nicht umgebracht, aber du hast irgendetwas mit ihnen zu tun. Ist doch so, oder?
    – Schwachsinn.
    – Wie gesagt, es ist mir egal, ich sage nichts.
    – Was willst du auch sagen, du redest Unsinn.
    – Wir wissen beide, dass ich Recht habe.
    – Ich habe keine Ahnung, wovon du redest.
    – Doch, hast du.
    – Wenn du meinst.
    – Ich glaube, du bist ein schlimmer Finger.
    – Ich glaube, ich muss jetzt gehen.
    – Darf ich dich vorher küssen?
    – Was willst du?
    – Dich küssen.
    – Jetzt?
    – Ja.
    – Hier?
    – Ja.
    – Was soll ich deiner Meinung nach damit zu tun haben?
    – Darf ich jetzt?
    – Kannst du mir sagen, wie du darauf kommst?
    – Ich will dich küssen.
    – Du bist verrückt.
    – Darf ich jetzt endlich?
    – Von mir aus.
    Warum er ja gesagt hat, wusste er später nicht mehr. Wie plötzlich die fremde Zunge in seinen Mund kam. Wie er einfach die Augen zumachte und sie hineinließ in sich. Leftera Ermopouli. Ihre Lippen auf seinen, ihre Zunge, wie sie neugierig auf ihm tanzte, wie sie mit seiner spielte. Wie sie seinen Kopf hielt, ihre Finger in seinen Haaren. Einfach so. Plötzlich ihre Wange an seiner, plötzlich diese Wärme in ihm. Wie lebendig er sich von einem Moment zum anderen fühlte. Wie ihn dieser Mund überwältigte, ihn stumm machte, wehrlos. Wie er sie einfach spürte, die Augen geschlossen. Leftera und Max. Nichts sonst. Keine nackten Leichen, keine Nadel, nichts, nur zwei Münder, die aufeinanderschlugen, die brannten. Jeder Millimeter Haut, jedes Stück Zunge, alles in Max. Plötzlich neben den Toten. Ohne nachzudenken. Kein Gedanke zurück. An Hanni, daran, wie sie nackt neben ihm gelegen war, nackt und tot. Kein Gedanke an ihre Liebe, an seine. Nichts. Nur dieser Kuss.
    Wie Leftera ihn aus dem Raum schob, den Gang entlang, wie sie ihn in ihrem Büro auf den Boden drückte. Wie sie sich küssten. Wie sich Leftera ausziehen wollte und Max den Kopf schüttelte.
    Nur küssen, sagte er.
    Wie du meinst, sagte sie.
    Ihre Finger strichen über sein Gesicht. Sie küsste seine Stirn, seine geschlossenen Augen, seinen Hals. Viele kleine Berührungen am Fußboden eines kleinen Büros im Keller der Gerichtsmedizin. Max nahm sie einfach, ihre Finger, ihre Hände, wortlos. Sie hörten nicht auf, ihre Zungen wurden nicht müde. Leftera war so voller Leidenschaft, voller Kraft, Max fühlte sich geborgen, wie ein Kind lag er in ihrem Arm. Sie tat so gut. Sie war einfach da, so vertraut und warm. Ihre Hände, ihre Augen, als Max seine nach einer Stunde wieder aufschlug. Neugierig, abenteuerlustig, voller Tatendrang. Und ihre Stimme, wie selbstsicher sie war, wie selbstverständlich sie sagte, was sie dachte.
    – Hilfst du mir, den kleinen Dicken anzuziehen?
    – Ich sollte eigentlich gar nicht hier sein.
    – Stimmt, aber du bist trotzdem da, und wenn du schon mal da bist, dann kannst du mir auch helfen.
    – Es ist mitten in der Nacht.
    – Da ist es hier am schönsten, du bist zur besten Zeit hier, keine Gerichtsmediziner, keine Bestatter, nur Leftera und du.
    – Ich sollte

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