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Leichenspiele: Ein Max-Broll-Krimi (German Edition)

Leichenspiele: Ein Max-Broll-Krimi (German Edition)

Titel: Leichenspiele: Ein Max-Broll-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Aichner
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bist der Sohn von Tilda Broll, richtig?
    – Genau.
    – Sie hat dich weggeschickt?
    – Ja.
    – Weil sie dir nicht weiterhelfen wollte?
    – Genau.
    – Und jetzt soll ich dir weiterhelfen?
    – Ja.
    – Mach ich gerne.
    – Wirklich?
    – Was willst du wissen?
    – Eigentlich müsstest du mich rauswerfen, oder?
    – Ja, müsste ich, aber mache ich nicht.
    – Warum?
    – Weil du mir gefällst.
    – Machst du mich an?
    – Ja.
    – Du hast gerade ein Skalpell in der Hand.
    – Deshalb bist du doch hier, oder?
    – In gewissem Sinne ja.
    – Ich habe hier noch ziemlich viel Arbeit, ich muss die beiden hier zunähen und den Dicken da drüben anziehen.
    – Das macht doch der Bestatter, oder?
    – Manchmal mache auch ich das. Die Bestatter sind so lieblos, ich finde, jeder hat es verdient, dass man sich ordentlich um ihn kümmert.
    – Was passiert mit den Supermarktleichen?
    – Die bleiben noch eine Zeitlang nackt.
    – Wie lange?
    – Bis man weiß, wer sie sind.
    – Was ist mit ihnen passiert?
    – Man hat sie ausgenommen. Mit sehr großer Wahrscheinlichkeit bei lebendigem Leib. Wahrscheinlich unter Narkose. Man hat ihnen einfach die Herzen herausgeschnitten, diesem jungen Mann hier fehlt auch die Leber.
    – Warum?
    – Jemand wird die Sachen wohl dringend gebraucht haben.
    – Das klingt nicht sehr respektvoll.
    – Hast du sie gekannt, die beiden?
    – Nein, um Gottes willen, wie kommst du denn darauf?
    – Du bist auf der Gerichtsmedizin und schaust zu, wie ich die Leichen zunähe, deshalb komme ich darauf.
    – Ich schaue nicht zu, ich schaue dich an.
    – Und wie gefällt dir, was du siehst?
    – Ich mag deinen Mund.
    – Das ist gut.
    – Hat man Spuren gefunden, irgendetwas, das sagt, wer sie ins Kühlregal gelegt hat?
    – Sie haben speichelverdächtige Stellen gefunden und gesichert, sie haben Abklebungen gemacht, um Fremd-DNA zu finden.
    – Was noch?
    – Die Bauchräume der Leichen sind voll mit Sanisorb.
    – Was ist das?
    – Absorptionsmaterial. Riecht wie geriebene WC-Steine. Zwei Hände voll vor dem Zunähen in den Bauchraum und die ganze Sache bleibt einigermaßen trocken.
    – Was meinst du?
    – Sie rinnen nicht aus, das Sanisorb saugt alles auf. Noch dazu hat man die beiden tamponiert, das heißt, man hat ihnen Watte in alle Körperöffnungen geschoben. So verhindert man, dass jeder sie riechen kann.
    – Das heißt, sie stinken nicht?
    – Nicht so schnell.
    – Da hat sich also jemand Mühe gegeben, sie ordentlich zu versorgen. Warum?
    – Damit es im Supermarkt nicht so stinkt, nehme ich an.
    – Du bist witzig.
    – Ich weiß.
    – Und was passiert als nächstes?
    – Morgen werden Porträts von den beiden Toten in jeder Zeitung sein, dann wird man schnell wissen, wer sie waren.
    – Wer tut so etwas? Wer schneidet jemanden bei lebendigem Leib auf? Wer kann mit den Organen etwas anfangen?
    – Wieso schaust du nicht hin?
    – Wohin?
    – Dahin. Ich mache jetzt den Brustkorb zu, ich kann das richtig gut.
    – Nein danke.
    – Du bist doch Totengräber, oder?
    – Woher weißt du das?
    – Ich sagte doch, du gefällst mir.
    – Ich grabe nur Löcher, ich schütte nur Erde auf Särge.
    – Aber in den Särgen sind die Toten, sie kommen quasi direkt von meinem Tisch zu dir. Also, stell dich nicht so an und versuch’s mal.
    Sie drückte Max einfach die Nadel in die Hand. Er nahm die Hände hoch, wehrte sie ab, er fragte, ob sie verrückt geworden war. Sie lachte nur. Laut. Freundschaftlich klopfte sie ihm auf die Schulter.
    Locker bleiben, sagte sie.
    Du hast sie ja nicht alle, sagte Max.
    Trotzdem blieb er. Er setzte sich auf einen Hocker neben sie. Neugierig beobachtete er, was sie tat, jeden Handgriff, jeden Stich, den sie in die tote Haut machte.
    Was, wenn jemand kommt, fragte Max.
    Da kommt heute niemand mehr, sagte sie.
    Während sie nähte, erzählte sie. Über sich. Über die Toten. Über ihre Arbeit. Dass sie oft in der Nacht hier war, dass sie seit vierzehn Jahren als Obduktionsassistentin in der Gerichtsmedizin war, dass ihr Vater aus Zypern kam.
    Ich kenne meinen Vater nicht, sagte sie. Eltern sind das Letzte, fügte sie hinzu und schaute Max einen Augenblick lang mit traurigen Augen an. Dann beugte sie sich wieder über die Leiche und nähte weiter.
    Wie liebevoll sie war, wie zart sie die Nadel durch die Haut schob, wie sie immer wieder zu den Körpern sprach, ihnen gut zuredete. Wie sie versuchte, den Toten eine Frisur zu machen, wie sie sich bemühte, sie aufzumuntern, wie

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